Im Flächenbrand der Eitelkeiten

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Über Jahrzehnte waren die USA und ihre Armee der einzige wirksame Schutz der Nationen Europas gegen die russische Interessenspolitik. Daran hat sich eigentlich bis heute nichts geändert. So sahen sich nach dem Ausbruch der Ukrainekrise vor etwa fünf Jahren die NATO-Partner unter Führung der USA gezwungen, Manöver und dauerhafte Übungen in den Nachbarstaaten Russlands zu halten, um die Angst der Esten, Letten und Litauer vor einem russischen Einmarsch zu dämpfen.

Polen, historisch und aktuell eine der einflussreichen Mächte in der Ukraine, hat vorgeschlagen, mehr Truppen der USA auf polnischem Territorium zu installieren. In einem Schreiben mit dem Titel "Vorschlag für eine dauerhafte US-Präsenz in Polen" ersuchte die Regierung die USA, dauerhaft eine Panzerdivision in Polen zu stationieren. "Die Regierung Polens ist bereit, beträchtliche Mittel dafür zur Verfügung zu stellen, die von 1,5 bis 2 Milliarden Dollar reichen, da es wichtig ist, die Lasten der Verteidigungsausgaben zu teilen", heißt es darin.

Doch seit dem Gipfel von Helsinki zwischen Donald Trump und dem russischen Amtsinhaber Wladimir Putin sowie den Drohungen der USA gegen seine NATO-Partner scheinen sich jahrelang gehegte Bahnen der Politik zu ändern. Nicht so sehr, weil Trump in Sachen Russiagate dem Wort von Wladimir Putin mehr vertraut, als dem von FBI und CIA. Seit Monaten behauptet er, es habe keine Beeinflussung gegeben. Warum sollte er das unter dem Eindruck der für ihn sehr unangenehmen Fakten ändern, die das FBI zusammengetragen hat? Trumps Dementi seiner Äußerungen von Helsinki wirkte entsprechend gezwungen (und war es auch).

Neue Präferenzen

Doch der Gipfel mit Putin befestigte noch einen anderen Eindruck. Schon seit dem Gipfeltreffen mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un ist eine neue Art auszumachen, wie Trump regiert und auf der weltpolitischen Bühne agiert: Hat er sich in den Kernpunkten der US-Politik bisher an die Ratschläge seines Stabs gehalten, so tut er das seit geraumer Zeit nicht mehr. Und zwar weder in der Handelspolitik, noch in strategischen Fragen der Konflikt- und Hegemonialpolitik. Er sprengt sozusagen den Rahmen, der die Politik seiner Amtsvorgänger bestimmt und beeinträchtigt hat. So sehr man sich aber bei Obama wünschte, er wäre aus den Gepflogenheiten des Staatsapparates ausgebrochen, so sehr wünschen sich nun Trumps Kritiker (und mittlerweile auch einige seiner engsten Mitarbeiter), er würde unter den Rockzipfel des "deep State" huschen.

Peacemaker oder Konfliktbauer

Der Hintergrund für dieses neue Selbstbewusstsein ist der offensichtliche Wunsch des Präsidenten, sich als globaler "Peacemaker" und Abrüster zu inszenieren. Dabei scheint er allerdings zu übersehen, dass zum Friedenmachen immer zwei gehören. Also etwa auch Wladimir Putin. Und dass es der Abrüstung nicht hilft, wenn der Atomdeal mit dem Iran einfach gekündigt wird. Zudem wird man das Gefühl nicht los, Trump würde sich viel nachgiebiger verhalten, wenn ein harter Mann wie Putin in Teheran regieren würde, kein "unsexy" Ayatollah Kahmenei.

Wie überhaupt die Politik dieses Präsidenten sich allein nach dem Eindruck der Macht zu richten scheint, den ein Mann (keine Frau) über sein Volk hat. Je pompöser die Inszenierung der Herrschaft, desto besser für politische Perspektiven. Weil diese Politik aber so sehr vom Gegenüber Trumps abhängt, sind es letztlich die Putins und die Kims, die auch über die Strategie im Weißen Haus entscheiden werden. Erst an diesem Punkt könnte Trumps Fegefeuer der Eitelkeiten zum Flächenbrand werden.

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