Gut, aber kein Messias

Werbung
Werbung
Werbung

Die Welt blickt nach seinen ersten hundert Tagen fasziniert auf den neuen Präsidenten der USA, Barack Obama. Er hat viele Initiativen gesetzt, wirkt enorm auf die Öffentlichkeit und vermeidet es tunlichst, als Messias zu gelten.

Die Zeiten der Schonfristen sind vorbei. Die ersten hundert Tage in einem neuen Amt haben Politiker für Entscheidungen und Taten zu nutzen, nicht für das Eingewöhnen an neue Umstände und vorsichtige Gehversuche. Das gilt noch nicht ganz für Österreich, aber jedenfalls in der internationalen Politik, namentlich für jene der globalen Führungsmacht USA. Ihr neuer, junger Präsident Barack Obama stellte sich mit einer beeindruckenden Bilanz über seine ersten hundert Tage im Amt der nationalen und weltweiten Öffentlichkeit. Auch wenn das mit den 100 Tagen "ziemlich albern ist", wie der Politikexperte Stephen Hess vom Brookings-Institut in Washington urteilt.

Sowohl die Wirtschaftskrisen als auch ihre Antworten darauf lassen den Vergleich von Obama mit dem legendärsten US-Präsidenten des 20. Jahrhunderts, Franklin D. Roosevelt, zu: Er brachte in den dreißiger Jahren in den ersten hundert Tagen seiner Amtszeit so viele Gesetze durch den Kongress, um das Finanzwesen zu regeln und die Sozialpolitik neu aufzusetzen, dass diese Frist seither als Maßstab für die erste Zwischenbilanz neuer Amtsträger gilt. Obama braucht den Vergleich nicht zu scheuen.

Frische Milliarden für den Marktkreislauf

Obamas Taten sind beindruckend, selbst wenn sie ihre Wirkung noch nicht entfalten konnten. Er hat ein mit 790 Milliarden Dollar dotiertes Konjunkturpaket geschnürt, das den freien Fall der Wirtschaft abbremste, aber vor allem das Budgetdefizit auf die Höhe von 1,9 Billionen Dollar trieb und damit über das Bruttoinlandsprodukt hinausschießen ließ. Das ist nur akzeptabel, weil in den USA die Produktivität pro Kopf bis zuletzt hoch war, deutlich über jener Deutschlands oder Österreichs liegt. Was sich ändern könnte - sollten etwa von einer veralteten und von Überkapazitäten gekennzeichneten Autoindustrie nur in die Pleite geschlitterte Pensionskassen übrig bleiben. Das, nämlich die erhoffte Erholung der US-Wirtschaft im Jahr 2010, wird die entscheidende Nagelprobe für Obamas Politik und ihren Erfolg, selbst wenn er jetzt noch von einer Welle der Begeisterung getragen wird.

Obama wirkt, weil er Zuversicht vermittelt, in Lösungen denkt, allen seine Hand reicht, das Morgen im Blickfeld hat. Zwei Drittel der US-Amerikaner halten ihren Präsidenten für gut. Die Zweifel aus dem Vorwahlkampf der Demokraten, Obama sei zu jung, zu leicht und zu unerfahren für den Job im Weißen Haus, haben sich aufgelöst. Mehr noch: Nur mehr ein Viertel der Amerikaner bezeichnet sich, befragt nach der politischen Einstellung, als Republikaner. Das ist alles auch einer höchst professionellen Medienarbeit zu verdanken, aber das Produkt, sprich: der Präsident, passt. Und er ist dabei, die politische Geschäftsgrundlage der Neuen Welt, den Kontrakt zwischen Staat und Bürgern, neu aufzustellen. Die Finanzmärkte kommen wieder an die Leine, die Autoindustrie soll gerettet werden, die USA sollen sich am Klimaschutz beteiligen und allen Bürgern eine Krankenversicherung anbieten. Das erklärt Obamas Wirkung auf die Öffentlichkeit noch nicht.

Ein neuer Stil in der Führung

Die ersten hundert Tage erlauben kaum eine Bilanz. Aber Barack Obama könnte eine politische Führungspersönlichkeit neuen Stils werden. Die das Gespräch sucht. Die zuhört. Überlegt. Dem anderen auf Augenhöhe begegnet. Einfach spricht. Überzeugend wirkt. Den anderen leben lässt. An Lösungen arbeitet. Die klar zu erkennen gibt, was für fair und für gerecht gehalten wird, und was nicht. Eine politische Führungspersönlichkeit also, die nicht mit fertigen Rezepten ans Rednerpult tritt, die nicht von oben kommt. Aus allen diesen Gründen hat Obama zwar eine charismatische Ausstrahlung, ist aber eben kein Messias. Genau das zu signalisieren ist wahrscheinlich seine wichtigste Botschaft in einer Zeit, in der so viele auf Lösungen und Erlösung hoffen. Und darüber vergessen könnten, die Verursacher an der misslichen Lage zur Verantwortung zu ziehen, zugleich aber ihren Beitrag zur Behebung der Krise zu leisten.

* claus.reitan@furche.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung