Ein Schuldentanker ohne Steuerung

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Der Staatshaushalt der USA droht zu entgleisen, doch die Politik findet keine Rezepte gegen die Verschuldung. Die stagnierende Wirtschaft verstärkt die Angst vor einer neuen Krise.

Als die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel von Barack Obama als die "treue Verbündete“ und "Vorbild“ gelobt wurde, als man ihr alle Ehren samt Extra-Ehren (ein Bankett im Weißen Haus) zukommen ließ, da fragten sich einige Journalisten, die eben noch von einer Verstimmung zwischen Deutschland und den USA geschrieben hatten, ob das nicht doch übertrieben wäre. Doch vergleicht man die Wirtschaftsdaten, dann erklären sich die Gefühle des Präsidenten sehr schnell.

Deutschland ist einer der wenigen westlichen Industriestaaten, der sich aus dem großen Wirtschaftseinbruch 2008/2009 mit konstantem Wachstum und sinkenden Arbeitslosenzahlen befreien konnte - vorerst jedenfalls. Die deutsche Exportwirtschaft schließt wieder an die Jahre 2007 und 2008 an.

Doch was ist mit den USA? "Das Land der begrenzten Möglichkeiten“, titelte jüngst das Wirtschaftsblatt - und tatsächlich offenbart sich nur Düsteres aus den Haushaltsdaten der Weltwirtschaftsmacht Nummer eins. Die Wirtschaftsleistung, die sich bereits erholt zu haben schien, fiel von 3,2 Prozent Wachstum gegen Ende des Jahres 2010 auf zwei Prozent im ersten Quartal zurück. Die Arbeitslosenquote bleibt bei neun bis zehn Prozent stabil schlecht. Die Investitionen der US-Unternehmer sinken. Das Vertrauen der Konsumenten stagniert laut der Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg. Einzig die Verbraucherausgaben steigen, was den generell schlechten Gesamteindruck zum Teil mildern kann.

Unentschlossene Schuldenpolitik

Die Unsicherheit, die sich in diesen Zahlen widerspiegelt, betrifft vor allem die Unentschlossenheit der US-Politik, einer eindeutig identifizierbaren Zukunftsstrategie zu folgen. Die Gesamtstaatsverschuldung erreichte zuletzt mit 14,2 Billionen Dollar beinahe exakt die Gesamtwirtschaftsleistung des Landes in einem ganzen Jahr (14,1 Billionen Dollar). Eine Strategie, das Defizit zu senken, fehlt aber. Nach außen sichtbar wird nur, dass sich die Wirtschaftsberater von Präsident Obama aus dem Kabinett verabschieden. Zuletzt wurde bekannt, dass einer der treuesten Ökonomie-Strategen des Präsidenten, Austen Goolsbee, seinen Posten als Chefberater verlassen und an die Universität Chicago zurückkehren wird. Gründe für das Ausscheiden Goolsbees wurden nicht bekannt gegeben, doch im Hintergrund heißt es, der Mangel an Mut zur Strategie habe den Ausschlag zum freiwilligen Rücktritt gegeben.

Tatsächlich war zuletzt aus dem Weißen Haus wenig mehr zu hören, als der Wille, bei Sozialleistungen zu kürzen und den reichen US-Amerikanern eine höhere Steuerleistung abzuverlangen. "Das sei keine glaubwürdige Strategie“, befand selbst der Chefökonom des Internationalen Währungsfonds, Olivier Blanchard.

Mit der Misere zum Thema "gangbarer Weg aus den Staatsschulden“ schlagen sich aber nicht nur die Demokraten herum. Die Republikaner lassen ebenfalls jedes gangbare Konzept vermissen. Das zeigt sich seit Wochen bei der Debatte um die Erhöhung der Schuldenobergrenze des Staates. Zwar fordern die Konservativen eine massive Ausgabenkürzung, doch wo genau diese stattfinden soll, ist den Worten der republikanischen Parteigranden nicht zu entnehmen. Kein Wunder, dass die Rating-Agentur Standard & Poor’s nun auch die Herabstufung der Bonität von US-Staatsanleihen ankündigte. Die Agenturen Moody’s und Fitch bestätigten diese Einschätzung und forderten eine Anhebung der Schuldenobergrenze, um eine Herabstufung zu vermeiden.

Einigung bis August Pflicht

Nun müssen sich Republikaner und Demokraten bis Anfang August auf eine Erhöhung des Schuldendeckels einigen, da sonst die Etats-Ausgaben, die täglich vier Milliarden Dollar ausmachen, nicht mehr zu finanzieren wären. Die Risiken der Nichteinigung wirken sich schon massiv auf den Handel mit US-Staatsschuldentitel aus. Investmentbanken gingen zuletzt dazu über, ihr Engagement in Staatsanleihen zu reduzieren. Die Financial Times sieht das bereits als "Vorsichtsmaßnahme für eine mögliche Zahlungsunfähigkeit der USA“.

Doch sollte dieser vor Kurzem noch für unmöglich gehaltene Fall tatsächlich eintreten, dann könnten nicht nur Banken, sondern auch Notenbanken an den Verkauf von US-Anleihen denken. Die meisten Staaten der Welt - und hier vor allem China - haben mehrere hundert Milliarden Dollar in US-Staatsanleihen investiert. Sollten diese Titel massiv an Wert verlieren, dann hätte das wohl auch für die Staatengemeinschaft - und damit für die gesamte Weltwirtschaft drastische Konsequenzen.

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