Von Schrott-Euros und EU-Krisen-Sauställen

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Die Strategie der EU, die Schuldenkrise in der Eurozone zu bewältigen, hat in Griechenland eine verheerende Wirkung auf die Wirtschaft. Gäbe es Auswege aus der größer werdenden Misere?

Manchmal scheint es, als entspringe alle Unbill über den Häuptern der EU dem kleinen Griechenland. Zumindest finanziell ist das so. Gerade hatte die Europäische Union ihren Rettungsschirm für Athen und die anderen budgetären Delinquenten der Eurozone aufgespannt, da schlugen die Folgen der Staatsverrottung in Athen kriminell ins Kontor. Statt beschädigte Euromünzen zu entsorgen, wie das eigentlich gesetzlich vorgesehen ist, hatten griechische und italienische Beamte die Münzteile offenbar tonnenweise nach China verscherbelt. Dort wurden sie wieder zusammengesetzt und mithilfe von Lufthansa-Flugbegleitern nach Europa zurückexportiert, um sie in Deutschland bei der Bundesbank erneut gegen neuwertige Euros zu tauschen. Die tat das auch so lange, bis der Schwindel aufflog. Geschätzter Schrott-Euro-Schaden: Sechs Millionen Euro.

So zieht sich die griechische Malaise bis in die polizeilichen Ermittlungsakten in Frankfurt hinein. Weitaus weniger Rififi-Unterhaltung hat die Europäische Union derzeit mit der griechischen Wirtschaft. Die Regierung musste am 3. April bekanntgeben, dass ihre Budgetdefizit-Erwartungen für 2010 von minus 9,4 Prozent nicht der noch katastrophaleren Realität entsprachen. Sie korrigierte ihren Wert auf 10,6 Prozent. Der Schuldensprung hat relativ schwere Konsequenzen. Denn nun kommt auf die Griechen ein neues Sparpaket in der Höhe von 3,5 Milliarden Euro zu. Für die ohnehin schon äußerst angespannte politische Lage fürchten Kommentatoren nun noch Schlimmeres.

Tatsächlich erinnert Griechenland in seiner finanziellen Notlage und seinem verzweifelten Kampf um Schuldenabbau, zu dem es von seinen Gläubigern und Unterstützern von EU und IWF gedrängt wird, nicht an einen langsam genesenden Patienten, sondern an einen Schwerstkranken, den eine falsche Medikation dem Exitus entgegentreibt.

Gerade Österreich und Deutschland, die beide massiv am Rettungsschirm für Griechenland, Irland und Portugal beteiligt sind, können ihre Strategie gegenüber den Hochschuldenstaaten mit der Situation in den Zwanziger- und Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts vergleichen. Im Zeichen einer Hartwährungspolitik wurden damals in beiden Ländern ein harter Sparkurs gefahren, der inmitten der Wirtschaftskrise dieselbe noch einmal beschleunigte. Die Arbeitslosenzahlen stiegen mit den Unternehmenspleiten, der Konsum brach ein und als man endlich begriff und Konjunkturprogramme einleitete, standen die Nationalsozialisten schon vor der Tür und mit ihnen Millionen demokratieenttäuschter Wähler.

Wohin gehen die Rettungsgelder?

Mit einem solchen Ansatz setzt man sich freilich sogleich dem Vorwurf aus, ein Umverteiler zu sein, der Steuergeld den Verschwendern des Südens zur Verfügung stellt. Was sollen wir denn noch machen, als Milliarden in die südlichen Budgetlöcher zu pumpen, fragen Kritiker. Etwa noch mehr Milliarden? Nun, nicht direkt. Zuvor wäre die Frage zu beantworten, ob die Milliarden zur Rettung des griechischen Finanzsystems sinnvoll eingesetzte Gelder waren und sein werden. "Das Problem ist“, sagt etwa George Soros, "dass die deutsche Regierung die Maßnahmen für Griechenland unter hohem innenpolitischen Druck verordnet hat, aber der deutschen Bevölkerung nicht die Wahrheit gesagt hat.“ Dass nämlich das Rettungspaket für Griechenland nicht den Staat rette, sondern die Veranlagungen der deutschen Banken in Griechenlands Finanzsystem. Vor allem, wenn sich nun zeigt, dass das von allen Beteiligten proklamierte Ziel, eine Umschuldung zu vermeiden, offensichtlich nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Dadurch müssten die Gläubiger - also vor allem deutsche und französische Banken - Milliarden abschreiben. Nur mühsam dementierte der IWF im Verein mit der EZB zu Beginn der Woche Berichte des Spiegel, wonach es bereits Vorbereitungen für eine derartige Aktion gebe. Inzwischen fordern auch die öffentlichkeitstauglichsten Ökonomen, wie Hans Werner Sinn, einen "Haircut“; der US-Wirtschaftswissenschaftler Nouriel Roubini hält gar eine "geregelte Staatspleite“ für den einzig gangbaren Weg.

Zulasten der PIGS

Dazu kommt noch, dass bei anderen notleidenden Staaten ähnlich große Aktionen zur Rettung des Finanzsystems den EU-Rettungsschirm leicht überspannen könnten. Mögliche Auswege, etwa gemeinsame Euro-Staatsanleihen als Ersatz für die nationalen Anleihen, scheitern bisher am Widerstand der reichen Nationen. Wieder heißt es in Berlin und Paris: "Wie erklärt man das dem Bürger?“ Es steht jedoch zu fürchten, dass dem Bürger nichts mehr erklärt werden muss, da er doch unlängst erfahren musste, dass die politischen Eliten der Union die Schuldenstaaten als "PIGS“ (Portugal, Irland/Italien, Griechenland, Spanien) bezeichnen. Wie sollen selbst die gefürchteten Finanzmärkte auf dieses entlarvende Gesule im Schuldenpfuhl anders reagieren als mit dem Wunsch, dem Saustall so rasch wie möglich zu entkommen?

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