Schulden-Bremsen und Rasenmäher

Werbung
Werbung
Werbung

Die Krisenrhetorik der europäischen Politik kann die Hilflosigkeit der handelnden Personen nur noch mühsam verdecken. Gerade am Beispiel Griechenland wird das offenbar. Mit ein Hauptgrund für die Flucht vieler Investoren aus dem Euro: Das Misstrauen regiert. Eine Analyse.

In den Tagen nach der 750-Milliarden-Feuerwehraktion zur Rettung des Euro und wohl auch der globalen Währungsstabilität wurden in den Hauptstädten Europas ganz neue Lenkwaffen der politischen Krisen-PR getestet. Zunächst ergingen sich Österreich und Deutschland in der Auspreisung der „Schuldenbremse“. Finanzminister Josef Pröll machte mit diesem Begriff international von sich reden. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel wiederum, ihren eisernen Sparwillen den Bürgern kommunizierend, beruhigte, sie sei bei der Lastenverteilung gegen die Methode „Rasenmäher“. In beiden Begriffen steckt viel von dem Dilemma, in dem die EU sich befindet.

Die Schuldenbremse ist ein in negativer Hinsicht vielfach verwendbares Geschöpf. Nimmt man sie tierisch, bedeutet sie für den die Zeche der Krise zahlenden europäischen Bürger äußerst lästige Schmerzen. Nimmt man sie als neues Werkzeug zur Eindämmung von Staatsschulden, dann erinnert sie an die Unglaubwürdigkeit der EU-Regierungen, den Stabilitätspakt einzuhalten. Warum sollte die noch strengere „Schuldenbremse“ besseres erwarten lassen?

Dass Schuldenkrisen auch Vertrauenskrisen sind, ist eine Binsenweisheit. Nun kann sich der Investor also aussuchen, ob er den angekündigten Sparkurs bejubeln soll oder nicht erst recht verunsichert sein soll wegen der dramatischen Budgetsituation, in die das nämliche Rettungspaket die EU-Staaten insgesamt bringen könnte. Weil da außerdem ein Hilfspaket angekündigt wurde, das zu klein ist, um im Ernstfall etwa Italien und Spanien gleichzeitig zu retten.

Angesichts dessen entscheidet sich der Investor instinktiv zur Flucht aus dem Euro. Er vergisst dabei offenbar auch, dass nicht der Solidaritätsfonds, sondern die völlig geänderte Geschäftspolitik der Europäischen Zentralbank und ihre Bereitschaft, Anleihen von Schuldenstaaten anzukaufen, die eigentliche Revolution der vergangenen Tage war, welche die Stabilität des Systems drastisch erhöht hat.

Wenn man die aktuelle Euro-Phobie von europäischen ehemals staatsnahen Banken wie etwa der BNP-Paribas betrachtet, könnte man das als unfreiwilligen Hang zur Selbstbeschädigung werten.

Nochmals zurück zur Schuldenbremse: Wer in den Archiven stöbert, wird von allen Finanzministern der Währungsgemeinschaft etwa ein Jahr alte Zitate ziemlich gleichen Wortlauts finden. Danach verbitte man sich alle „Spekulationen über Steuern, um die Konjunktur nicht zu gefährden“. Die Konsumenten dürften nicht beunruhigt werden. Wenn diese Logik zutrifft, warum dann jetzt die „Schuldenbremse“, die ja nichts anderes bedeutet, als dass der Staat den Steuerbelastungsturbo drückt und damit das schwächliche Pflänzchen der Wirtschaftserholung erst recht wieder abwürgt.

Der Griff zum Gold

Und die Konsumenten? Nun sie kaufen trotz der Katastrophenmeldungen weiter (Konsumwachstum 0,3 Prozent), aber offenbar die Krisenwährung Gold lieber denn andere Waren. Ergebnis: Die Depots der Münze Österreich sind leergeräumt, die sonstige Wirtschaft stagniert. Dass ein harter Sparkurs mit höheren Steuern zu schrumpfender Wirtschaft führt, wenn nicht der Außenhandel und die Industrie kräftig wachsen, scheint sich gerade im Schuldenmodellland Griechenland zu materialisieren: 65.000 Unternehmen kleinerer und mittlerer Dimension sind dort durch das Sparpaket in ihrer Existenz gefährdet. Kein Wunder: Wenn die Zahlen stimmen und ein durchschnittlicher Grieche in Zukunft 20 Prozent weniger Geld erhält, wird er viel weniger konsumieren als bisher. Dieser Nachfrageeinbruch könnte die wirtschaftliche Depression anheizen und zu Steuerausfällen führen – die wiederum Teile des Sparpaketes fressen und die Bonität des Staates auf den Finanzmärkten senken. Ein Teufelskreis, der nur vermeidbar ist, wenn man, frei nach Merkel die „Methode Rasenmäher“, also Massensteuern-Erhöhung vermeidet. Genau dieses Prinzip scheint der IWF und die Eurostaaten mit Deutschland an der Spitze aber den Griechen aufgezwungen zu haben.

In der Misere ist übrigens ein Zeichen des mentalen Aufbäumens zu vermerken. Der Maler Makis Warlamis hat sich aufgemacht, das Bild seiner Heimat im Ausland zu korrigieren. Die Ausstellung „Geliebtes Griechenland“ soll ein optimistisches Zeichen setzen: Hier ein orthodoxes Kirchlein, dort ein Fischerboot – und über allem scheint wieder die Sonne (ab 20. 5. in der griechischen Fremdenverkehrszentrale Opernring 8, 1010 Wien).

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung