EU-Geldpolitik: Damit sein darf, was sein muss
Es kann auf Dauer nicht gutgehen, zu verdrängen, dass der Vertrag von Maastricht in der Krise faktisch umgangen wird – nur weil eben nicht sein kann, was nicht sein darf.
Es kann auf Dauer nicht gutgehen, zu verdrängen, dass der Vertrag von Maastricht in der Krise faktisch umgangen wird – nur weil eben nicht sein kann, was nicht sein darf.
„Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf.“ So kurz und bündig beschrieb einst Christian Morgenstern in den „Galgenliedern“, wie sich Tatsachen mit der Begründung verdrängen lassen, dass es sie von Gesetzes wegen eigentlich gar nicht geben dürfte. Wohl nicht zufällig fiel mir diese Zeile beim Nachdenken darüber ein, wie es wohl nach Corona mit der europäischen Geld- und Fiskalpolitik weitergehen könnte.
Noch gelingt es der Europäischen Zentralbank ja, den forcierten Erwerb von Staatsanleihen als eine Maßnahme darzustellen, welche vor allem dem Ziel dient, die durchschnittliche Inflationsrate im Euroraum auf annähernd zwei Prozent zu steigern und die infolge der Pandemie eingebrochene Konjunktur zu stützen. In Wirklichkeit dienen diese Zukäufe im Rahmen des Einsatzes eines ganzen Bündels von unkonventionellen Sonderinstrumenten jedoch zuallererst der Sicherstellung des Zusammenhalts der Gemeinschaftswährung. Internationale Gläubiger werden damit in der Überzeugung bestärkt, dass die EZB im Unterschied zur Staatsschuldenkrise 2012 diesmal eben keine Zerreißprobe riskiert. Auch wenn die bisherigen Maßnahmen zwingend notwendig waren: Es kann auf Dauer nicht gutgehen, zu verdrängen, dass damit der dem Euro zugrundeliegende Vertrag von Maastricht faktisch umgangen wird – nur weil eben nicht sein kann, was nicht sein darf.
Schulden auf leistbarem Niveau
Eine zweite Verdrängungsfront baut sich dort auf, wo es um die künftigen Staatsschulden-Spielregeln geht. Denn die Frage, wie und in welchem Umfang die krisenbedingt sprunghaft angestiegenen Schulden eines Tages wieder auf nachhaltig leistbare Niveaus zurückgeführt werden können, wird irgendwann zu beantworten sein, auch wenn der Europäische Rat sinnvollerweise die geltenden Regeln für dieses und das kommende Jahr gerade erst außer Kraft gesetzt hat.
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