Ein Urteil mit Ansteckungsgefahr

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Der deutsche Verfassungsgerichtshof hat die geldpolitische Urteilskraft des EuGH grundsätzlich in Frage gestellt. Jetzt besteht Handlungsbedarf. Es geht darum, die Transparenz und eine Festigung des geldpolitischen Fundaments des Euro zu nutzen, statt weitere Rechtsunsicherheit zu riskieren.

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Der deutsche Verfassungsgerichtshof hat die geldpolitische Urteilskraft des EuGH grundsätzlich in Frage gestellt. Jetzt besteht Handlungsbedarf. Es geht darum, die Transparenz und eine Festigung des geldpolitischen Fundaments des Euro zu nutzen, statt weitere Rechtsunsicherheit zu riskieren.

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Das hat gerade noch gefehlt! Als hätte Europa mit der Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Covid19-Pandemie nicht genügend Sorgen, müssen wir ab sofort auch eine Welle gegenseitiger Ansteckung hoch verschuldeter Euro-Länder fürchten, wie sie aus der Eurokrise noch schmerzhaft in Erinnerung ist. Auslöser dafür ist das jüngst ergangene, harsche Urteil des deutschen Verfassungsgerichtshofs, in dem er die seit 2015 betriebenen Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) für unzulässig, weil „kompetenzwidrig“ erklärt. In einem früheren Streit um ein 2013 zur Euro-Rettung eingesetztes Vorgängerprogramm war der Europäische Gerichtshof (EuGH) noch zu einem positiven Urteil gekommen, mit dem sich die deutschen Verfassungshüter abzufinden schienen. Diesmal holten sie jedoch weiter aus und stellten die geldpolitische Urteilskraft des EuGH grundsätzlich in Frage. Zwei zentrale, bisher unangefochten souverän agierende europäische Institutionen geraten damit in massiven Rechtfertigungsdruck gegenüber dem wirtschaftlich gewichtigsten EU-Mitgliedsstaat.

Die Stimmung könnte kippen

Die EZB bekommt nun ganze drei Monate Zeit, um plausibel zu machen, dass die positiven Wirkungen ihres Ankaufsprogramms dessen von den Klägern behauptete Nachteile für Sparer, Immobilienmärkte und den Bankensektor deutlich übertreffen. Sollte das nicht gelingen, müsste die Deutsche Bundesbank ihre Mitwirkung an den Anleihekäufen einstellen. Nur gut, dass die Folgen dieses währungspolitischen Richterspruchs derzeit noch unterschätzt werden. Finanzexperten machten nämlich in ersten Reaktionen allesamt tapfer freundliche Mienen zum bösen Spiel und gaben sich fest davon überzeugt, dass es den Notenbankern ein Leichtes sein werde, die passenden Begründungen für ihr Tun nachzuliefern. Allerdings ist zu befürchten, dass die Stimmung schon bald kippen könnte und die Finanzmärkte mit einer Verteuerung der Anleihekosten für höher verschuldete Eurostaaten reagieren. Das wiederum wäre der Beginn einer neuerlichen Zerreißprobe für den Euro.

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