Die EZB verspricht zu viel

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Der Impuls muss von den Euro-Staaten selbst kommen, die Strukturreformen und großflächige Investitionsprogramme für Infrastruktur und Ausbildung brauchen.

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Der Impuls muss von den Euro-Staaten selbst kommen, die Strukturreformen und großflächige Investitionsprogramme für Infrastruktur und Ausbildung brauchen.

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Überschießende Kurse an den Aktienmärkten, historisch einzigartig niedrige Sparzinsen, aufkommende Ängste vor Deflation, lahmendes Wirtschaftswachstum: ein beunruhigender Nachrichten-Cocktail mitten in einer Phase der Lähmung europäischer Innenpolitik. In diesem Umfeld ist derzeit nur ein Akteur unabhängig und handlungsfähig: die Europäische Zentralbank. Umso genauer beobachten wir ihre jüngsten Maßnahmen: Zinssenkung bis in die Nähe von Null, Negativzinsen für Bankeinlagen und Sondergelder für Kredite der Banken an die Realwirtschaft. Das damit verbundene Versprechen: Ankurbelung der Konjunktur und Verhinderung von Deflation. Ich befürchte allerdings, dass sich der Einsatz dieser neuesten Instrumente schon bald als weitgehend wirkungslos erweisen wird. Denn zum einen ist die Ankurbelung des Kreditgeschäftes der Banken nicht über marginale Senkungen des Zinsniveaus steuerbar, sondern nur durch eine bessere Regulierung. Diese muss sicherstellen, dass Banken mit solider Eigenkapital-Ausstattung, die das klassische Einlagen- und Kreditgeschäft verfolgen, nicht weiter benachteiligt werden. Noch sind sie nämlich gegenüber jenen globalen Großbanken im Hintertreffen, die ihre Bilanzen durch Ausweitung spekulativer Geschäfte hochfahren, ohne realwirtschaftlichen Nutzen zu stiften.

Zum anderen ist die volkswirtschaftliche Ausgangslage in den Euro-Staaten viel zu unterschiedlich, um eine durchschnittliche Inflationsrate des EuroGebietes feinsteuern zu können. Wettbewerbsschwachen Mitgliedsländern bleibt ja - da ihnen der Weg in die Währungsabwertung versperrt ist - als einziger Weg zur Wiedererlangung von Exportstärke eine Anpassung des Preisniveaus nach unten, nicht zuletzt auch bei den Arbeitskosten. In Spanien und Portugal zeigen sich erste Erfolge dieser Strategie. Dass sie zu einem niedrigen durchschnittlichen Inflationswert in der Euro-Zone beiträgt, ist unbedenklich.

Bremsklotz Schuldenbremse

Bedenklich wäre allerdings, wenn das lahmende Wachstum auch wettbewerbsstarke Euro-Staaten in eine deflationäre, auf konjunkturellen Abschwung gerichtete Stimmungslage kippen ließe. Den entsprechenden Stimmungsaufheller kann allerdings nicht die EZB liefern, deren Zinsspirale nach unten längst ausgereizt ist. Der Impuls muss vielmehr von den Euro-Staaten selbst kommen, die im Kampf gegen steigende Arbeitslosigkeit Strukturreformen und großflächige Investitionsprogramme für Infrastruktur und Ausbildung brauchen.

Die starre Schuldenbremse, deren Messdaten aus den Festlegungen des Maastricht-Vertrages stammen, erweist sich hier als Bremsklotz. Damals - vor mehr als zwei Jahrzehnten - ging man von fünfprozentigen Langfristzinsen und einem dreiprozentigen Wachstum aus. Derartige Werte sind für die kommenden Jahre auszuschließen. Die Folgen der Finanzkrise zwingen deshalb nicht nur die EZB, sondern auch die Euro-Staaten zu unkonventionellen Maßnahmen. Sobald die neue EU-Kommission steht, wird die Suche nach einem Konsens darüber ihre vordringlichste Aufgabe sein.

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