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Die Optimisten unter den Krisenverwaltern haben noch an jedem Zustand etwas Gutes gefunden. Griechenlands Premierminister Papandreou gefällt sich beispielsweise dieser Tage in seiner Rolle als mediterrane Ausgabe Barack Obamas. "Yes we can“, ruft er den Griechen von Berlin aus zu, wo er bei Angela Merkel wohl hinter verschlossenen Türen Verzweiflungsfloskeln ausgetauscht hat. Nämlichen Tags erklärt sein Finanzminister Evangelos Venizelos, wie das mit dem "we can“ im Athen des Jahres 2011 gemeint ist: Seid froh, wenn die Pensionen gekürzt und Beamte in die Arbeitslose geschickt werden, die Alternative ist, dass wir überhaupt nichts mehr zahlen können, weder Pensionen noch Arbeitslosenversicherung.

Wir sehen daraus: viel tiefer unten hat die Leiter der Hoffnungen wirklich keine Sprossen mehr. Sofern man nicht die Armensuppe als positive Alternative zum Hungertod ausrufen möchte.

Doch wir, die anderen in diesem bunten Haufen Europa, dessen Buntheit sich vorzugsweise als Kakophonie materialisiert; wir können anscheinend noch Hilfe anbieten. Ein paar Hundert Milliarden gibt es noch für den Rettungsschirm. "Waffen“ gegen die Pleite nennen sie die Ökonomen. Die Mutigsten unter den Entscheidern und Beratern gehen sogar soweit, dass die EZB nun wie die amerikanische Notenbank die Gelddrucker anwerfen sollte. Tatsächlich könnte man damit wohl einige Bullen schießen - viele Blasen auf den Märkten erzeugen und als Nachtisch die üblichen Platzer und Panikattacken im Orbit der Finanzwelt servieren.

Eine letzte Wechselreiterei

Diese Lösung würde zur bisherigen Krisenpolitik Europas passen: Nachdem alles zuvor schon Schuldverschiebungen waren, warum nicht dieser letzte "große Wurf“, die letzte Wechselreiterei? Man könnte sich da bei Sonntagsreden sogar auf Nietzsche berufen, dass einzig der Selbstbetrug die menschliche Existenz erträglich macht. Doch leider funktioniert Selbstbetrug eben nur, solange man ihn glaubt. Diesem Europa aber traut niemand mehr, und es traut sich auch selbst nicht mehr.

Sowohl die Schattenspieler der Finanzmärkte als auch die welt-richterlichen Ratingagenturen bestehen zur Abwechslung offensichtlich auf ein wenig Wahrhaftigkeit. Dass man die Schuldenlast drücke und "Austerität“ übe, ein schreckliches Wort für alle, die von der Verschwendung des Gemeinertrages profitiert haben - wie beispielsweise wir alle.

Unentrinnbares Schicksal

Je drängender die Notlage wird, desto klarer wird, dass wir uns dieses Verdikts nicht entziehen können, mögen dabei auch die Reste der flauen Konjunktur verpuffen. Es werden harte Jahre werden, vor allem für die Absturzkandidaten im Süden Europas. Genau genommen ist die Solidarität der Staatengemeinschaft Europas jetzt schon ausgereizt. Die deutsche Regierung wird nach der dieswöchigen Abstimmung im Bundestag keine Erweiterung der Griechenlandhilfe mehr wagen. Daraus folgt wohl auch in Jahresfrist die Zahlungsunfähigkeit für Griechenland.

Europa braucht 2012 vermutlich eher eine aktionsfähige Konkursbehörde als einen Rettungsschirm. Aber gemessen am politischen Krisen-Chaos der vergangenen Monate kann die EU nicht einmal diese Funktion erfüllen. Sie sollte Griechenlands Umstrukturierung dem IWF überantworten und daran gehen, sich an Haupt und Gliedern neu zu erfinden, damit es in Zukunft leisten kann, wozu es heute nicht fähig ist.

Dieses Szenario ist nicht besonders innovativ, aber es ist besser als relativ planlos Milliarden nach Süden zu pumpen und gleichzeitig alle noch bestehenden Reste der kläglichen griechischen Realwirtschaft zu vernichten. Ohne Konzept und Entscheidungskraft kriechen die Euro-Mitgliedsstaaten einem schönen Kinderreim folgend bald als Griechen hinter Griechen nach - in die Tragödie hinein.

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