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Ein riskantes Spiel

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Im Frühjahr dieses Jahres meldete die Weltbank, daß die Schuldenlast der Entwicklungsländer noch heuer von 950 auf 1010 Milliarden Dollar klettern wird.

Eine Billion Dollar Schulden... Hätte jemand vor zehn Jahren dieses Szenario an die Wand gemalt — kein Zweifel am Zusammenbruch des internationalen Bankensystems wäre aufgekommen.

Inzwischen hängt die Verschuldung zwar nach wie vor wie ein Damoklesschwert über den Industriestaaten, doch solche Horrorziffern haben offensichtlich ihre Wirkung verloren. Schließlich ist bis heute der „big crash“, der große Zusammenbruch, ausgeblieben.

Erst recht nach 1982, als Mexiko als erstes Land vor der offiziellen Zahlungsunfähigkeit stand und bei den Bankenchefs Weltuntergangsstimmung herrschte. In einer Feuerwehraktion pumpten die Banken Kredite in das Land, um den finanziellen Kollaps zu verhindern.

Umschuldung ist seither das Losungswort in der internationalen Verschuldungsfrage. In regelmäßigen Abständen meldet die Presse den Aufschub von Zahlungsfristen, die Ausdehnung von tilgungsfreien Zeiträumen und die Gewährung von kurzfristigen Krediten an säumige Schuldner.

Ab und zu zetern einige Staatschefs mediengerecht über die Roßkuren, die der Währungsfonds an den Geldsegen knüpft, um die Strukturanpassungen in den betreffenden Ländern voranzutreiben. Mitunter zeigen Berichte über sogenannte „Brotaufstände“ in einigen Ländern, wie zuletzt in Marokko oder Tunesien, daß die soziale Verträglichkeit solcher Therapien überschätzt wird.

Auch bei der diesjährigen Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank in Washington diskutierten dieser Tage Finanzminister und Notenbankchefs der Mitgliedstaaten einmal mehr über die Misere der Entwicklungsländer.

Wie stehen wirklich die Chancen, das Schuldenproblem endgültig in den Griff zu bekommen?

Im Gespräch mit der FURCHE (39/1986) meinte der Präsident der Nationalbank und Teilnehmer an der Washingtoner Konferenz, Stephan Koren: „Bei den Industrieländern ist seit der gelungenen Hilfsaktion für Mexiko ein solches Vertrauen in die Schiebefähigkeit des Schuldenproblemes entstanden, daß heute weniger Diskussionen über einen möglichen Zusammenbruch des internationalen Finanzsystems geführt werden als etwa noch vor fünf Jahren. Zwischen den Gläubigerländern herrscht völlige Ubereinstimmung, dem schlechten Geld doch lieber wieder gutes hinterherzuwerfen, als über grundsätzliche Lösungsvorschläge zu diskutieren.“

Welchen Stellenwert hat dabei das „Programm für dauerhaftes Wachstum“, das US-Finanzminister James Baker bei der vorjährigen Jahrestagung in Seoul präsentierte? (Es zielt ab auf einige Schwellenländer, die sich auf ein marktwirtschaftlich orientiertes System einlassen wollen und dafür verstärkt Kredite von der Weltbank und regionalen Banken erhalten.)

Dazu Stephan Koren: „Der Ansatz des Baker-Planes, einigen Ländern so viele Kredite zu geben, daß sie sich stärker entwickeln können, kam bisher nicht zum Tragen. Es gibt zwar ein entsprechendes Arrangement mit Mexiko, aber die Frage ist noch offen, ob das Ergebnis tatsächlich ein erster positiver Schritt ist. Ich wage da keine Prognose.“

Im Grunde geht es also heute noch immer darum, entweder den Schuldnerländern so viele Kredite zu borgen, daß sie durch Wachstumssteigerungen ihre Verbindlichkeiten völlig begleichen können (Koren: „Das ist bei der derzeitigen Höhe ausgeschlossen“), oder die Schulden gänzlich nachzulassen. Letzteres ist sicherlich unter anderem auch eine Frage an den Steuerzahler des jeweiligen Gläubigerlandes.

Oder es geht in Zukunft vielleicht wirklich gar nicht mehr so sehr um die Frage, wie die Länder ihren Verpflichtungen nachkommen können, sondern ob sie es überhaupt wollen. Im letzten Jahr hat Kubas Staatschef Fidel Castro wieder einmal eine solche Lunte in Richtung Schuldnerkartell gelegt. „Solche Vorschläge gibt es schon seit längerem, und für die Banken wäre dies tatsächlieh eine völlig neue Situation. Aber auch hier sieht man einen gewissen Gewöhnungseffekt. Niemand glaubt in internationalen Bankenkreisen ernsthaft daran“, sagt Koren, „daß solche Vorstellungen Wirklichkeit werden könnten.“

Das Schuldenproblem ist also so fatal wie die meisten Schrek-kensperspektiven unserer Zeit, angefangen von der totalen Zerstörung der Umwelt bis zur Möglichkeit der Vernichtung der Menschheit. An Warnungen und Einsichten fehlt es nicht, wohl aber an politischen Anreizen, das Notwendige auch zu tun.

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