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Dritte Welt braucht Geld
Die Finanzkrise setzt die Dritte Welt unter Druck: 1983 flössen aus Entwicklungsländern um 400 Milliarden Schilling mehr in die Industrieländer als in die Gegenrichtung.
Die Finanzkrise setzt die Dritte Welt unter Druck: 1983 flössen aus Entwicklungsländern um 400 Milliarden Schilling mehr in die Industrieländer als in die Gegenrichtung.
Die gesamte Schuldenlast aller Entwicklungsländer zusammengenommen belief sich zu Ende des Jahres 1983 auf 810 Milliarden Dollar (15,4 Billionen Schilling). Seit der Jahresmitte 1982 haben nicht weniger als 30 Länder Umschul-dungsverhandlungen über einen Gesamtbetrag von 100 Milliarden Dollar geführt.
Diese Neuordnung, in Verbindung mit den Rückständen und niedrigeren Zinsen, hat zwar das Anwachsen des Schuldendienstes (Zinsen und Rückzahlungen) verlangsamt. Die Höhe dieser Zahlungen ist jedoch weiterhin gestiegen. Gleichzeitig ist der Umfang der neuen, an Entwicklungsländer vergebenen Bankkredite dramatisch gesunken. Besonders von dieser Entwicklung betroffen sind die Länder mit den höchsten Schulden.
Die Folge davon ist nun, daß der Nettogeldfluß von den privaten Banken zu den Entwicklungsländern gegenwärtig negativ ist: Die Entwicklungsländer zahlen an die Banken mehr als sie bei ihnen borgen.
Den Statistiken der Weltbank zufolge sind noch 1981 aus privaten Quellen an die Entwicklungsländer um 16 Milliarden Dollar (300 Milliarden Schilling) mehr geflossen als in die umgekehrte Richtung. Aber 1982 war der Nettotransfer bereits negativ (sieben Milliarden Dollar). Wir schätzen, daß sich diese negative Bilanz 1983 auf 21 Milliarden Dollar belaufen hat.
Produktive Investitionen werfen einen Ertrag ab, und daher sollten ausländische Investoren mehr zurückbekommen, als sie investiert haben. Aber es ist verfrüht, wenn die Entwicklungsländer zusammengenommen in einem solchen Ausmaß eigene Ressourcen an die Länder mit hohem Einkommen überweisen. 1983 belief sich der Nettotransfer der 13 wichtigsten Schuldnerländer der Dritten Welt an private Gläubiger auf den Gegenwert von zwei Prozent ihres Nationaleinkommens.
Die anderen Formen mittel-und langfristiger Kapitalflüsse sind durchaus nicht in einem Maß angestiegen, das die Geldflüsse an private Banken ausgeglichen hätte.
Bedingt durch den Einbruch bei der Kreditgewährung durch Banken bemühten sich viele Entwicklungsländer verstärkt darum, Direktinvestitionen von multinationalen Unternehmungen anzulok-ken. Dennoch weisen auch die Werte für Direktinvestitionen eine deutlich sinkende Tendenz auf: von 14 Milliarden Dollar im Jahr 1981 auf 13 Milliarden (1982) und 10 Milliarden im Vorjahr____
Der Rückgang bei den privaten Krediten und bei den Direktinvestitionen sowie das äußerst langsame Anwachsen der öffentlichen Kreditgewährung und der Entwicklungshilfe haben die Länder der Dritten Welt gezwungen, ihre Importe einzuschränken. Sie versuchten diesen Schnitt im Jahr 1983 dadurch abzufangen, daß sie auf kurzfristige Kredite und auf ihre Reserven (inklusive der Mittel des Internationalen Währungsfonds) zurückgriffen.
In diesem Jahr haben viele Entwicklungsländer ihre Reserven und die Möglichkeiten, kurzfristige Mittel zu beschaffen, ausgeschöpft. Daher mußten sie die Importe drastisch verringern. Damit verringerten sie die laufenden Defizite von 85 Milliarden Dollar (1982) auf 43 Milliarden im Vorjahr ...
Die Schuldenkrise hat verheerende Wirkungen auf den privaten Sektor in den Entwicklungsländern gehabt. Fast der gesamte Rückgang der privaten Kredite fiel zu Lasten privater Schuldner. Die öffentliche Kontrolle über private Finanzierungsinstitutionen wurde in Ländern wie Mexiko und Chile stark ausgeweitet, und Tausende von Unternehmen in der Dritten Welt gingen in Konkurs ...
Alle von der Schuldenkrise Betroffenen haben seit der Mitte des Jahres 1982 zusammengearbeitet: die Schuldnerländer, die Banken, Vertreter der Industrieländer und die internationalen Firianzie-rungsinstitutionen. Die Zusammenarbeit all dieser Parteien muß aufrechterhalten bleiben.
Die Banken werden wieder mehr Kredite vergeben und sich an weiteren Umschuldungen beteiligen müssen ... Die Banken haben ihren Schuldnern während drei sehr mageren Jahren geholfen. Es wäre wenig sinnvoll, sich jetzt zurückzuziehen, da sich die Wirtschaft weltweit erholt und der Anpassungsprozeß in der Dritten Welt gut in Schwung kommt.
Die Regierungen der Industrieländer haben aus guten Gründen Interesse daran mitzuhelfen, daß die internationalen Verschuldungsprobleme überwunden werden. Sollten sich die Probleme nämlich verschärfen, müßten die Industrieländer mit weiteren Verlusten im Außenhandel und mit Erschütterungen auf den internationalen Finanzmärkten rechnen.
Dieser Beitrag ist ein Auszug aus einem Vortrag des Weltbankpräsidenten vor dem European Management Forum am 26. Februar 1984 in Davos.
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