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Weltweite Rezession durch Strukturkrise

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Ein Fünftel der Bevölkerung der Entwicklungsländer, nämlich die Bewohner der OPEC-Staaten, können in den kommenden fünf Jahren mit einer durchschnittlichen Steigerung des Bruttonationalprodukts um etwa drei bis dreieinhalb Prozent rechnen.

Dies ist so ziemlich die einzige erfreuliche Wirtschaftsprognose des neuesten Berichts der Weltbank, welcher auch der seit 25. August in New York tagenden außerordentlichen UNO-General-versammlung zum Thema „Entwicklungspolitik zu Beginn der achtziger Jahre" vorliegen wird.

Das Wirtschaftswachstum in den Industriestaaten dürfte im gleichen Zeitraum zwischen 2,5 und 2,8 Prozent liegen; während die ölimportierenden Entwicklungsländer nur mit einem Zuwachs von 1,8 Prozent rechnen können.

Tragisch nannte der Vizepräsident der Weltbank, Munir Benjenk, der den Entwicklungsbericht 1980 in der Vorwoche im Wiener Institut für Entwicklungsfragen vorstellte, die Aussichten für die ärmsten afrikanischen Länder, nämlich für jene südlich der Sahara: Sie dürfen bestenfalls mit einer Steigerung um 0,1 Prozent, wahrscheinlicher aber mit einem Rückgang ihres Bruttonationalprodukts rechnen.

Dies dürfte besonders folgenschwer sein, weil sich ihre wichtigsten Importe, Energie und Nahrungsmittel gleichfalls wesentlich verteuern werden. Benjenk verweist dabei auf das Beispiel Indien, das in den letzten zwölf Jahren von Getreideeinfuhren unabhängig werden konnte. Andererseits läßt die Rezession in den Industrieländern keine vermehrte Abnahme von Gütern aus den ärmsten Gegenden der Welt erwarten.

Sowohl Entwicklungs- als auch Industriestaaten empfiehlt der Bericht wirksame Energiesparmaßnahmen und die Nutzung alternativer Energiequellen im eigenen Land. Dies soll zu einer gleichmäßigeren Preisentwicklung auf dem Olmarkt führen (rund drei Prozent Preiserhöhung jährlich werden erwartet) und plötzliche Preissprünge wie in den letzten zwei Jahren um insgesamt 80 Prozent verhindern.

Die Ursache der Inflation in den ölimportierenden Ländern der Dritten Welt sind die Erdölpreiserhöhungen, während diese für die Preissteigerungen in den Industrieländern nur teilweise verantwortlich gemacht werden können. Denn „die Wirtschaftskrise der achtziger Jahre ist eine Strukturkrise", betont Benjenk.

Ein weiterer hemmender Faktor der Weltwirtschaftsentwicklung in den nächsten Jahren ist die tiefe Verschuldung der Entwicklungs- wie auch der Industrieländer, nur die OPEC-Staaten bilden hier eine Ausnahme.

Deshalb empfiehlt der Bericht der Weltbank einen langsamen Abbau des Schuldenberges, „um die Auswirkungen auf die Entwicklungsländer so gering wie möglich zu halten." Dies erfordere eine Steigerung des Einfuhrvolumens aus Ländern der Dritten Welt, weiter relativ freizügige Handelsbeziehungen und die Lockerung von Handelsschranken gegen Erzeugnisse, die von besonderer Bedeutung für die Entwicklungsländer sind.

Ebenso sollten die ölexportierenden Länder durch rasche Ausweitung ihrer Einfuhren aus den ärmsten Ländern der Welt diesen zur Erreichung eines höheren Wirtschaftswachstums verhelfen.

Der Sonderteil des diesjährigen Berichts der Weltbank unter dem Titel „Armut und menschliche Entwicklung" unterstreicht die Einflüsse von Erziehung und Ausbildung auf das Wirtschaftswachstum und die Linderung der Armut in den Entwicklungsländern.

So konnten Kleinstbauern mit vierjähriger Grundschulbildung um 13 Prozent höhere Erträge erzielen als ihre des Schreibens und Lesens unkundigen Kollegen.

Als eine der besten Investitionen für Wirtschaftswachstum und Wohlfahrt in Entwicklungsländern empfiehlt der Weltbankbericht die Ausbildung von Frauen. Dadurch werde eine Heirat meist hinausgezögert, außerdem seien die Kinder ausgebildeter Mütter besser ernährt und die Kindersterblichkeit liege unter dem Durchschnitt.

Es zeige sich, daß Frauen mit einer Grundschulausbildung der Familienplanung aufgeschlossener gegenüberstehen. Und kleinere Familien bedeuteten auch ein höheres Einkommen pro Familienmitglied.

Weltbankvizepräsident Benjenk konnte hier auf ein interessantes Ergebnis der diesjährigen Untersuchungen hinweisen: Jene zwölf Entwicklungsländer mit dem relativ höchsten Ausbildungsstand erreichten rückblickend das größte Wirtschaftswachstum.

Um Weltbankpräsident McNamara zu zitieren: „Was moralisch gut ist, kann auch wirtschaftlich sinnvoll sein."

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