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Eine Notstandshilfe für Afrika

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Bis 13. September wird sich die UNO noch den Kopf darüber zerbrechen, wie die wirtschaftliche Misere Afrikas gelöst werden kann. Generalsekretär Perez de Cuellar fordert massive Entwicklungshilfe, Schuldenstreichungen und Abbau der westlichen Handelshemmnisse. Das Ziel des Planes sind höhere Wachstumsraten und die Verdoppelung des Pro-Kopf-Einkommens in Schwarzafrika. Ist das eine sinnvolle Zukunfts-Strategie? Oder nur eine Feuerwehraktion?

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Bis 13. September wird sich die UNO noch den Kopf darüber zerbrechen, wie die wirtschaftliche Misere Afrikas gelöst werden kann. Generalsekretär Perez de Cuellar fordert massive Entwicklungshilfe, Schuldenstreichungen und Abbau der westlichen Handelshemmnisse. Das Ziel des Planes sind höhere Wachstumsraten und die Verdoppelung des Pro-Kopf-Einkommens in Schwarzafrika. Ist das eine sinnvolle Zukunfts-Strategie? Oder nur eine Feuerwehraktion?

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Seit 3. September diskutiert die UNO in New York einen globalen Aktionsplan für den afrikanischen Kontinent. Grundlage ist der von Generalsekretär Perez de Cuellar vorgelegte Bericht über die „Wirtschaftskrise in Afrika". Dieser Hilfsplan sieht als Endziel eine jährliche Wachstumsrate von sechs Prozent und eine Verdoppelung des ProKopf-Einkommens in den Ländern südlich der Sahara bis zum Jahr 2015 vor. 700 Dollar soll dann ein Schwarzafrikaner pro Kopf zum Überleben in der Tasche haben.

Um dieses Ziel zu erreichen, fordert der UNO-Chef mehr Entwicklungshilfe. 30 Milliarden Dollar (1989: 21 Milliarden), die bis zum Jahr 2000 jährlich um vier Prozent erhöht werden sollen. Ein weiterer Forderungspunkt ist der Abbau der 270 Milliarden Dollar Verbindlichkeiten, die im Vorjahr mit 23 Miliarden Schuldendienst auf die Staatsbudgets afrikanischer Regierungen drückten. Die westlichen Industrieländer sollen bilateral Schulden streichen, die multilateralen Organisationen, Banken und die Privatwirtschaft sollen ihre Kredite abschreiben.

Ein Blick in die Statistik zeigt, warum es der Generalsekretär so eilig hat: Afrika steht am Rande des Abgrundes:

□ Das Bruttosozialprodukt wuchs zwar in den letzten fünf Jahren um 2,3 Prozent jährlich, die Bevölkerung allerdings wesentlich rascher. Das Pro-Kopf-Einkommen fiel daher in den letzten 25 Jahren. Besonders in Uganda, Zaire, Sambia.

□ 30 Millionen Menschen haben den Hungertod vor Augen, rund 150 Millionen leben in äußerster Armut, 250 Millionen können nicht lesen und nicht schreiben.

□ Die Gesamtausgaben Afrikas für das Gesundheitswesen fielen auf fünf (1985: sechs Prozent) und für das Erziehungswesen auf elf Prozent (1985:15 Prozent) zurück. Rückläufig ist ebenfalls die Zahl der Kinder, die eine Schule besuchen können.

□ Dazu tauchen längst besiegt geglaubte Krankheiten wie Tuberkulose, Bronchitis, Malaria wieder auf; AIDS grassiert.

□ Der Einbruch der Rohstoffpreise hat den Kontinent in den letzten sechs Jahren um rund 50 Milliarden Dollar Einnahmen gebracht (Siehe S. 6). Die Länder südlich der Sahara sind mit nicht einmal zwei Prozent am Welthandel beteiligt.

□ Die Reallöhne fielen im letzten Jahrzehnt um rund ein Drittel, in manchen Ländern sogar um 80 Prozent.

□ Im Vorjahr hatten 30 Millionen Afrikaner keine Chance auf einen Arbeitsplatz. Die triste Lage hat viele besser ausgebildete Arbeitskräfte vertrieben. UNO-Schätzungen zufolge verließen in den letzten sechs Jahren 50.000 bis 60.000 Afrikaner ihren Kontinent.

Welche positiven Auswirkungen kann also angesichts dieser überwältigenden Fülle von politischen und wirtschaftlichen Problemen ein Hilfsplan, wie ihn der UNO-Chef fordert, bringen? Zuerst die positiven Signale:

1. Der Plan ist ein deutliches Zeichen, daß auf Afrika nicht vergessen wird. Die „Wiege der Menschheit" darf nicht in einen Dämmerschlaf fallen. Das war bis dato gar nicht so sicher. Es grassierte die berechtige Sorge, daß Politiker und Investoren dem schwarzen Kontinent endgültig den Rücken kehren würden, weil sie die Profit-Chancen im neuen Osteuropa höher einschätzeil.

2. Der Kapital-Nettozufluß in die Dritte

Welt ist, so wird auch aus dem jüngsten OECD-Bericht deutlich, nicht geringer geworden. Er ist um 16 Prozent gestiegen. Perez de Cuellaar kann also mit Transferbereitschaft rechnen.

3. Zwar haben der UNO-Chef und auch Ex-Weltbankchef McNamara kürzlich wieder mit massiven Vorwürfen nicht gespart und auf Mißwirtschaft, Korruption, hohe Militärausgaben und Verschwendungssucht in vielen afrikanischen Ländern hingewiesen. Aber es wird mehr als zuvor die Verantwortung der Industrieländer beziehungsweise der Kreditgeber gesehen. Einerseits werden die ungerechten Strukturen zum Nachteil der Afrikaner in den Handelsbeziehungen hervorgehoben. Denn gerade die internationalen Banken mit ihrer lockeren Kreditvergabe haben das Desaster erst möglich gemacht. Schulden zu streichen, ist zwar keine neue Forderung. Aber bis jetzt haben die zuständigen Kreditherren immer nur die Augenbrauen gehoben. Schuldennachlaß fordere geradzu die Fortsetzung der Mißwirtschaft heraus, hieß es. Im jüngsten Weltbankbericht war jedenfalls von Schuldennachlässen noch keine Rede. Vielleicht kommt jetzt das große Umdenken.

Trotzdem ist der neue Afrika-Plan nur eine Art „Notstandshilfe", weil er an Kernpunkten vorbeigeht.

1. Immer noch sitzen Vertreter Afrikas nicht an einem Tisch mit den „Großen Sieben",wenn es um die Zukunft der Weltwirtschaft geht.

2. Immer noch verkauft der Westen lieber Waffen, als Friedensplänen zu entwicklen oder gar massiven Druck auf Diktatoren, Verschwender und Menschenrechtsverletzer auszuüben. (Aber angesichts der kraßen Un-sensibilität Westeuropas gegenüber der Brisanz des ethnischen Konfliktes in Jugoslawien - also eigentlich vor der Haustür - muß man schon wieder Zweifel an der Fähigkeit zur richtigen Einschätzung von Problemen haben.) So viele positive Signale also letzlich von einem UNO-Hilfsplan für Afrika ausgehen werden: mehr als eine Feuerwehraktion wird er nicht sein können.

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