Von Reichtum und sozialem Heldenmut

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Die Wohlhabenden vermehrten ihr Vermögen 2010 um mehr als 9 Prozent. IWF-Ökonomen warnen, dass zu viel Kapital Finanzmarkt-Krisen erzeugt.

Als Barack Obama noch ein junger Senator war und ein junger Familienvater dazu, da schrieb er ein Büchlein für seine beiden Töchter, damit diese einmal stolz auf ihr Vaterland seien. Obamas Helden der US-Geschichte kommen darin vor: Abraham Lincoln, Martin Luther King, César Chávez - und sie alle sind von einem einzigen Wunsch beseelt: Nicht, was einer habe, zähle, sondern, "dass wir zusammenhalten sollen wie eine Familie“.

Im aktuellen Weltreichtumsbericht liest sich das mit dem Zusammenhalt in der Wirtschaftsmacht Nummer Eins der Welt ganz anders. Nirgends auf der Welt sind die Einkommensdisparitäten so groß wie in den USA. Sinkenden Reallöhnen und einer steigenden Zahl von Arbeitslosen und Sozialhilfebeziehern steht eine steigende Zahl von Reichen gegenüber. Drei Millionen Amerikaner besitzen mehr als eine Million Dollar. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Millionäre um knapp 200.000 gestiegen.

Gleichzeitig stieg die Zahl der Armen von 42 auf 43,7 Millionen, jeder siebente US-Bürger lebt unter der Armutsschwelle. Zuletzt war das vor 51 Jahren der Fall.

Die USA sind in diesem Punkt aber nur der Hauptexponent einer weltweiten Tendenz auseinanderfallenden Reichtums, der zunehmend die politische Diskussion um eine höhere Besteuerung der Vermögenden antreibt.

Im Schnitt wuchs der Reichtum der Millionäre weltweit um neun Prozent, wobei ein Drittel aller sehr Vermögenden in den USA, Deutschland und Japan leben. Erstaunlicherweise ergeben sich aus dem Datenmaterial des Reports einige überraschende Parallelitäten. Die Gesamtverschuldung Deutschlands etwa ist so hoch wie das Gesamtvermögen der obersten ein Prozent der Gesellschaft. In den USA entspricht das Vermögenswachstum der Millionäre (8,3 Prozent) in etwa der Budgetneuverschuldung.

Erstaunliche Parallelen

Das global wachsende Ungleichgewicht wird auch deutlich sichtbar, stellt man dem Wachstum der Weltwirtschaft 2010 das Vermögenswachstum der sehr Reichen gegenüber (9,2 Prozent).

Wer bisher noch gemeint hatte, die Krise treffe auch die Millionäre, irrt in den meisten aller möglichen Fälle. "Ein Prozent der Bevölkerung lebt jenseits von Konjunktur und Krise“, sagt der deutsche Ökonom Olaf Groh Samberg. Denn zwischen 2009 und 2010, wie der Wealth-Report erleichtert feststellte, wuchs die Zahl der Millionäre in allen Nationen - außer in Italien. Die generelle Entwicklung kombiniert mit den immer weiter wachsenden Schulden der Staaten und den Löchern in der Finanzierung des künftigen Sozialsystems haben die Diskussionen über einen Beitrag der Reichen zum Budget zuletzt heftiger werden lassen. Dabei geht es in den USA und Europa auch um eine gleichzeitige Entlastung der werktätigen Bevölkerung, auch Mittelstand bezeichnet. Zu letzterem gehört auch die Sekretärin des drittreichsten Mannes der USA, Warren Buffet. Buffet verglich die staatliche Abgabenquote seiner Angestellten (30 Prozent bei 60.000 Dollar Einkommen) mit seiner eigenen Steuerlast (17 Prozent). Seither fordert er vehement, der Staat solle ihn selbst und andere Proponenten seines Vermögensstandes stärker zur Kasse bitten. Andere Milliardäre schlossen sich dieser Forderung an, weshalb ein entsprechender Gesetzesvorschlag von Präsident Obama nun "Buffet Law“ genannt wird.

Zu viel Reichtum zur Krise

Freilich hat die Frage des Reichtums einiger weniger noch weit ernstere Hintergründe als jenen des Neides oder der Forderung nach Solidarität. Denn geht es nach den Ökonomen des Internationalen Währungsfonds, wurden die letzten großen Krisen der Weltwirtschaft, wenn sie von den USA ausgingen, auch durch das Auseinanderklaffen des Vermögens verursacht. Grund dafür ist, dass sehr reiche Menschen ihr Einkommen nur zu einem geringen Teil verbrauchen, das heißt in realwirtschaftliche Aktivität ummünzen. Stattdessen, so eine Studie des IWF, sucht das Vermögen nach Veranlagungen auf dem Finanzmarkt. Je höher der Reichtum, desto größer das Volumen der Finanzmarkt-Veranlagungen.

Dieses Phänomen sei in der Periode vor 1929, also vor der großen Rezession beobachtbar gewesen und dann wieder in den Jahren vor 2008. Eine weitere Koinzidenz hat die IWF-Studie entdeckt: In beiden genannten Zeiträumen haben sich die Angebote, den Mittelstand am Handel mit Finanzprodukten zu beteiligen, deutlich erhöht. Das spiegle sich auch im Wachstum des Kreditvolumens bei den Banken wider. Laut den IWF-Wissenschaftern Michael Kumhof und Romain Ranciere, hat sich das Kreditvolumen in den USA zwischen 1980 und 2007 verdoppelt.

Kemal Kervis, Direktor des Brookings Instituts, geht von einem ähnlichen Szenario aus: Grund für die Blasenbildung an den Märkten sei auch, dass insgesamt 24 Prozent der Gesamteinkommens der USA auf die Konten von Vermögenden fließen. In den 60er Jahren waren es noch 7 Prozent gewesen. Ist es ein Zufall, dass diese auch die Zeit der Helden war, von denen Barack Obama seinen Töchtern vorschwärmte?

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