Die ungebrochene Macht der Ratings

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Und sie haben sich doch durchgesetzt: Rating-Agenturen, vor Kurzem noch viel gescholtene Verursacher der Finanzkrise, sind mächtig wie eh und je. Sie entscheiden über das Schicksal ganzer Staaten – und bleiben weitgehend unkontrolliert – trotz eines EU-Vorstoßes zur Einschränkung.

Selbst aus dem sonst knochentrocken gehaltenen Koalitionsabkommen der schwarzgelben Koalition in Deutschland dampfte noch der Zorn: „Rating-Agenturen sind mitschuld an der internationale Krise“, tönt es auf Seite 57, deshalb bräuchten sie eine „effektive Aufsicht, Mindeststandards und Sanktionsmöglichkeiten“.

Diese barschen Formulierungen von FDP, CDU und CSU zeigen weniger Entschlossenheit als die Verzweiflung der Politik gegenüber Institutionen, die wie keine anderen die Unkontrollierbarkeit der Finanzmärkte versinnbildlichen - und vorleben. Sie heißen Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch, drei Unternehmen, die ein Kartell bilden, das weltweit 95 Prozent des Marktes dominiert. Ihr Geschäft ist es, Prognosen über die künftige Entwicklung von Unternehmen, Aktienpaketen, Investmentfonds abzugeben oder auch die Bonität ganzer Staaten zu bewerten. Damit kontrollieren sie nicht nur große Teile der Finanzwirtschaft, sie können auch Politik machen.

Das auffallendste Beispiel dieser Machtausübung war zuletzt die Bewertungen einiger europäischer Volkswirtschaften. Am 7. Dezember gaben die Agenturen ihre Prognosen für Griechenland ab. Die Analysten hatten sich auf eine „Herabstufung“ der Bonität des Staates geeinigt. Kaum bekannt gemacht, brach der Aktienmarkt in Athen ein. Die Risikoaufschläge für griechische Staatsanleihen stiegen auf einen historischen Höchstwert. Diese höheren Prämien belasten das ohnehin schon überspannte Budget mit hunderten Millionen. Ähnliches ereignete sich in Spanien, Ungarn, Island, Irland. Anfang Jänner verstieg sich Moody’s zu der Behauptung, selbst Staaten bester Bonität stünden vor „tumultartigen Zeiten“ was ihre Schulden betreffe. Seither geistert das Gespenst der Staatsbankrotte wieder durch die Anleihenmärkte.

Politische Einflussnahme

Die politische Handlungsanleitung von Moody’s stand im Subtext zu lesen: Die Konsolidierung der Haushalte könne die zarte Konjunktur abwürgen. Das kann auch als klarer Auftrag an die Regierungen gelesen werden: Jetzt nicht konsolidieren, sonst droht die Höchststrafe „Herabstufung“.

Bei so umfassenden Einflussnahmen wundert es nicht, dass der US-Ökonom Thomas Friedman schon vor zehn Jahren schrieb: „Es gibt zwei Supermächte auf der Welt. Die USA und Moody’s – und es ist nicht gesagt, welche von den beiden die mächtigere ist.“

Dass diesem realen Einfluss ebenso horrende Fehleinschätzungen der Agenturen gegenüberstehen, ist wohl das wirkliche Paradoxon der Geschichte. Geht es nach der Verlässlichkeit, müsste die Glaubwürdigkeit der angeblichen Hüter der Glaubwürdigkeit auf den Finanzmärkten bereits Werte weit unter Null erreicht haben – und das nicht erst seit der Immobilienpleite in den USA. So spielen Rating-Agenturen eine sehr unrühmliche Rolle bei den Milliarden-Pleiten von Enron und Parmalat, die sie nicht vorausgesehen hatten. Unkontrolliert durch die Gesetzgeber durften sie weitermachen, bis es in den USA zum höchsten anzunehmenden Unfall kam: Jenen sieben Billionen Dollar an US-Hypothekendarlehen, welche die Agenturen zwischen 2003 und 2007 geprüft und zum Teil mit höchster Bonität versehen hatten – mit den bekannten Folgen.

Zaghafte Gesetzgebung

Zaghaft starteten die USA und Europa in den vergangenen Monaten Gesetzesinitiativen, um die Macht der Rating-Agenten einzudämmen. Zu einem Befreiungsschlag der Politik kam es dabei allerdings nicht. Einzige Errungenschaft: Den Agenturen soll es künftig verboten sein, Kunden zu beraten und diese gleichzeitig zu bewerten. Auch soll heuer noch eine EU-Kontrollbehörde für Rating-Unternehmen geschaffen werden.

Die deutsche Regierung drohte diese Woche gar mit Millionenstrafen, sollten sich die Prognosen betreffend der Gewinnaussichten von Investments als falsch herausstellen. Die Agenturen fühlen sich nun gründlich missverstanden: Nach eigener Darstellung arbeiten sie nicht mit exakten Voraussagen, sondern nur mit Meinungen. Und diese fielen – richtig oder falsch –unter Meinungsfreiheit.

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