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Wenn es stimmt, dass Politik zu einem Gutteil auf der symbolischen Ebene abläuft, dann kann man der Auszeichnung Barack Obamas mit dem Friedensnobelpreis durchaus einiges abgewinnen.

Völlig überraschend sei die Zuerkennung des diesjährigen Friedensnobelpreises an Barack Obama gewesen, hieß es übereinstimmend; sogar die erste Reaktion aus dem Weißen Haus war nicht mehr als ein schlichtes „Wow“. Aus der Distanz einiger Tage, nachdem sich der Rauch des ersten Medienhypes verzogen hat, lässt sich aber in der Wahl des Preisträgers sehr wohl eine gewisse Logik erkennen. Denn kaum jemand wurde je zuvor dermaßen zur Symbolfigur eines globalen Wandels im Sinne von Frieden und Gerechtigkeit, in keiner Person der Gegenwart bündeln sich derart viele Erwartungen, auf keinen Entscheidungsträger werden dergleichen Hoffnungen projiziert.

Gewiss, die Erwartungen mögen unbestimmt, die Hoffnungen diffus sein – und generell kann man die ganze Obamania, die sich vom Wahlkampf über den Triumph des 4. November bis hin zur Inauguration am 20. Jänner spannte und nun mit der Entscheidung des Nobelpreiskomitees erneut hochgewogt ist, je nach Geschmack für überzogen, hysterisch oder lächerlich halten.

Lorbeerkranz als Bürde

Mittlerweile sind aber auch die täglich aufpoppenden Glossen, Online-Einträge und Kommentare, welche die quasireligiöse Überhöhung Obamas aufs Korn nehmen, ein wenig abgestanden. Nein, er kann nicht auf dem Wasser wandeln oder mit fünf Broten und zwei Fischen die Welt satt machen; Mahmoud Ahmadinedjad und Kim Jong-il haben sich auch noch nicht bekehrt und in ihm den Messias erkannt; und selbst an profanen Kleinigkeiten wie dem Siedlungsstopp in den von Israel besetzten Gebieten ist er bislang gescheitert.

Ja, dieser Preis bedeutet Vorschusslorbeeren – und der damit Bekränzte wird diese weniger als Zier, denn als gewaltige Bürde empfinden. Die sympathischen, klugen, klaren Worte Obamas, mit denen er auf die Nachricht aus Oslo reagierte, lassen das erkennen, zeigen deutlich, dass er um die Ambivalenz der Entscheidung weiß, die auch in vielen Kommentaren ihren Niederschlag fand: Selbst dem US-Präsidenten freundlich gesinnte Beobachter befanden, der Preis komme jedenfalls zu früh. Wofür er denn ausgezeichnet werde, war die meistgestellte Frage. Dafür, dass er nicht George W. Bush ist, spotteten manche.

Indes, wenn es stimmt, dass Politik zu einem Gutteil auf der symbolischen Ebene stattfindet, dass – wie in der Wirtschaft – neben den harten Fakten Psychologie eine entscheidende Rolle ist, dann wird man die Entscheidung des Komitees durchaus mit dem Testament des Stifters Alfred Nobel in Einklang bringen können: Die nach ihm benannten Preise sollen allgemein an jene gehen, „die im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht haben“, speziell der für „Friedensverfechter“ (© Nobel) an jenen, „der am meisten oder am besten auf die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie das Abhalten oder die Förderung von Friedenskongressen hingewirkt hat“.

Neue Dynamik in der Geopolitik

Der „Nutzen“ für die „Menschheit“ besteht schon einmal in der durch Obamas Auftreten und seine programmatischen Ansagen bewirkten positiven Dynamik in der Geopolitik. Die wird nicht die „Verbrüderung der Völker“ herbeiführen, ja nicht einmal die atomwaffenfreie Welt, von der Obama gesprochen hat, aber vielleicht doch da und dort zur Entspannung beitragen.

Sicher ist das natürlich keineswegs – und man kann diese Gedanken auch als Spintisierereien des Typs „liberaler Spießer“ abtun, wie das Hans Ulrich Gumbrecht in Cicero getan hat. Aber was wäre die Alternative? Wenn selbst konservative Kommentatoren einräumen, Bushs „Weltpolizei“-Strategie sei ein Irrtum gewesen, und wenn nun auch Obama scheitern sollte – was dann? Darauf haben vermutlich nur die Afficionados von Hugo Chávez & Co., die sich natürlich mächtig über die Auszeichnung Obamas erregen, eine passende Antwort …

* rudolf.mitloehner@furche.at

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