Am Midterm politischer Glaubwürdigkeit

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Die US-Republikaner stehen vor höchst spannenden Kongresswahlen zur Halbzeit der Trump-Präsidentschaft. Während der Chef im Weißen Haus von seinen Fehlern unangetastet bleibt, stehen seine Konservativen vor einer taktischen Richtungsentscheidung.

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Die US-Republikaner stehen vor höchst spannenden Kongresswahlen zur Halbzeit der Trump-Präsidentschaft. Während der Chef im Weißen Haus von seinen Fehlern unangetastet bleibt, stehen seine Konservativen vor einer taktischen Richtungsentscheidung.

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Es dürfte kein Zufall sein, dass man während der vergangenen Wochen im politischen Herbst der Vereinigten Staaten das eine oder andere Déjà-vu verspürt hat. Die Stimmung ist vor dem diesjährigen November wieder zum Zerreißen gespannt. Zu vieles steht in diesem Wahlmonat für die großen Parteien auf dem Spiel. Das Gezerre um die Nachbesetzung eines Richterpostens im Obersten Gerichtshof hat die politischen Akteure - ähnlich 2016 - schon viel von ihrer Energie gekostet. Meinungsforscher haben sich hingegen -nach dem ereignishaften Schock der Präsidentschaftswahl 2016 verständlich - diesmal mit ihren Prognosen über weite Strecken zurückgehalten.

Dass die bevorstehenden Halbzeitwahlen (engl. "midterm elections") am 6. November 2018 unter geänderten Vorzeichen stehen würden, war bereits zu Amtsantritt von Donald Trump klar. Hatte doch in der Person des Immobilienmoguls aus Manhattan ein auch innerparteilich umstrittener Quereinsteiger das republikanische System gehörig ins Wanken gebracht.

Kritik, Aufstand, Vorwürfe

Während die einen nach wie vor darüber verwundert sind, dass der Neuling auf dem politischen Parkett immer noch mit blauen Flecken davongekommen ist, treiben seine unkonventionellen Auftritte besonders seinen Parteigenossen regelmäßig die Schweißperlen auf die Stirn. Kein noch so großes Fettnäpfchen schien der neue "Man in Charge" seit seinem Wahlsieg auszulassen. Vorläufiger Höhepunkt der öffentlichen Stimmung gegen seine Person war sicherlich der Aufschrei nach seinem politischen Kniefall gegenüber Wladimir Putin am 16. Juli in Helsinki.

Quer durch die Reihen der US-Gesellschaft verlief eine Wand aus Kritik, Aufstand und Vorwürfen, die der Popularität Trumps gehörig zu schaffen machte. Das mediale und politische Urteil des Hochverrates an den amerikanischen Idealen war perfekt. Dies war nur eine Episode unter vielen und sie brachte Trump einmal mehr in sichtbare Erklärungsnot. Seine öffentliche Kehrtwende, so wenig glaubwürdig sie auch jenseits des Großen Teiches wahrgenommen wurde, beruhigte zumindest einen Teil seiner Wählerschaft wieder. Doch die Narben, die Situationen wie diese am Image der republikanischen Partei hinterlassen könnte, sind noch nicht abzusehen. Dafür wird der kommende Wahlherbst ein erster Gradmesser sein.

Vernarbungs-Prozesse

Deutlich wird in den Auseinandersetzungen um Trumps Person, aber auch in den heftigen Diskussionen rund um die Vorwürfe sexuellen Missbrauchs gegenüber einflussreichen Politikern in den Reihen der GOP (engl. "Grand Old Party"), dass deren aufpoliertes Image durchaus Schaden genommen hat. Religiöse Beteuerungen oder restriktive Richtersprüche reichen auch in den Vereinigten Staaten nicht mehr aus, um genug Wählerstimmen für einen Wahlsieg zu generieren. Konnten Fernsehprediger und streng gläubige Parteiführer noch in den 1980er-Jahren mithilfe einer oftmals gezwungen wirkenden Bekenntnisformel die Welt wieder ins Lot bringen konnten, so ist das heute nicht mehr der Fall.

Was für die republikanische Mehrheit ihrer politischen Akteure jahrzehntelang unvorstellbar war, wurde in Donald Trump Wirklichkeit: Ein US-Präsident, der sich in seinen Auftritten weder an die politischen Vorgaben hielt, noch die Ideale des amerikanischen Lebens oder religiöser Ziele wertschätzte. Scheidungen, öffentliche Lügen, Affären, Beleidigungen usw. drohen die in Stein gemeißelten Idealvorstellungen bisheriger US-Präsidenten gehörig auseinander zu nehmen.

Diese Außenwirkung zerrt in ihren Konsequenzen auch an der republikanischen Glaubwürdigkeit. Mit Donald Trump im Weißen Haus scheint die lange Zeit zur Schau gestellte Logik der ehemaligen Parteigranden zu zerfallen. Alles, was sie unter starker Zuhilfenahme evangelikaler Traditionskirchen aufgebaut hatten, drohte ihnen nun in der Person Trumps um die Ohren zu fliegen.

Hatten die Republikaner noch 1998 in der Affäre Clinton mit Zeigefingern auf die demokratische Scheinheiligkeit verwiesen, ist dies bei Trump nicht mehr möglich. Dieser ist aus ihren eigenen Reihen hervorgegangen, die alternativen Kandidaten sind dem streitbaren Kandidaten aus Manhattan teilweise haushoch unterlegen. Kein noch so guter Republikaner aus den parteieigenen Kaderschmieden konnte Trump gefährlich werden.

Die harte Probe, auf die Trump die konservativen Kreise bis heute stellt, wurde keinesfalls durch einen Frontalangriff von außen verursacht. Der Mann ist in ihrem eigenen System wie ein rätselhafter Virus gewachsen. Haben die Systeme der Konservativen einen Wahlsieg Trumps begünstigt? Möglicherweise ist sein Triumph und das damit verbundene Identitätsproblem zu einem großen Teil hausgemacht? So wird in der Person Trumps spürbar, was der Politikwissenschaftler Kenneth Heineman unter anderen Vorzeichen bereits 1998 betont hat. "Konservative Bewegungen innerhalb der USA werden auf Dauer vor Probleme gestellt werden, die sie nicht mehr durch Angriffe auf andere Gruppierungen werden lösen können", betonte der Beobachter während der Auseinandersetzungen rund um Clintons Affären. "Sie müssen sich darauf einstellen, dass die Bevölkerung in naher Zukunft auch für republikanische Vertreter jene Maßstäbe ansetzen wird, die sie nach außen immer wieder propagieren."

Schwerwiegende Probleme

Die konservative Partei werde zunehmend an den Bildern gemessen, die sie selbst anlegt. Sie würde früher oder später vor ein Identitätsproblem gestellt werden, das sie in der realen Wirklichkeit einhole. Die ideologischen Grundvoraussetzungen, die die Parteistrategie seit Jahrzehnten erfolgreich geprägt haben, drohen auf diese Weise auf die Partei selbst zurückzu fallen.

20 Jahre nach Heinemanns Beobachtungen steht das Problem mehr als deutlich vor Augen: Unter Trump wirkt die konservative Glaubwürdigkeit wie in der Falle. Dieser US-Präsident kratzt mit all seinen moralischen und politischen Fehlern am lange unangetasteten Ideal der US-Konservativen: Dies ist kein politisches Superhirn, das im Chefsessel des Weißen Hauses Platz genommen hat, sondern ein äußerst fehlbarer Mensch. Die entscheidende Frage wird sein, wie sich die republikanischen Strategen auf diese neue Außenwirkung einlassen werden und wie die Wählerschaft die moralischen Fehler Trumps bewerten wird.

Fehler ohne Konsequenzen

Trump selbst hat immer wieder erfolgreich zur Schau gestellt, dass er trotz seiner Niederlagen auf kurze Zeit nicht unbedingt an Popularität einbüßt. Es wäre wohl tollkühn, dem US-Präsidenten hier irgendeine Art von Kalkül zu unterstellen. Seine Fehlerhaftigkeit stellt der US-Präsident keinesfalls freiwillig immer wieder zur Schau. Dennoch macht er deutlich, dass mediale Tiefpunkte keinesfalls immer eine Wahlschlappe nach sich ziehen müssen.

Trump vertraute, anders als seine republikanischen Vorgänger, nicht auf quasi-religiöse Unterstützung oder reumütige Schuldeingeständnisse, um seine politische Linie durchzuziehen. Trump setzte sich über die hohe Latte konservativer Moral in der Vielzahl seiner persönlichen Skandale hinweg. In der US-amerikanischen Politikwissenschaft ist es durchaus umstritten, wie sich persönliche Fehlerhaftigkeit und politischer Erfolg zueinander verhalten. Gerade die Außenwirkung der Fehlerhaftigkeit könnte, glaubt man auch der Einschätzung Heinemanns von 1998, durchaus Potential für politische Verantwortliche haben. Selbst wenn Clinton damals nur knapp einer Amtsenthebung entgangen war, stieg seine Popularität innerhalb der Bevölkerung paradoxerweise eher an.

Schon alleine deshalb sollten die demokratischen Vertreter vor den diesjährigen Midterms gewarnt sein. Was Trump in Bezug auf das Selbstbild der US-Republikaner angerichtet hat, bleibt abzuwarten, doch die demokratischen Strategen haben ihn und seine hinfällige Popularität schon einmal unterschätzt. Alle interessierten Wahlbeobachter inner-und außerhalb der USA dürfen gespannt sein, ob sich auch dieses Déjà-vu aus 2016 wiederholen wird.

Der Spalter am Ruder Donald Trump versteht es wie kein Zweiter vor ihm, seine Gegner und seine Anhänger permanent zu mobilisieren. Dadurch ist ein sich immer weiter verfestigender Graben in der US-Gesellschaft entstanden.

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