Midterms in den USA: Gefühle, die trügen

19451960198020002020

Zwei Jahre nach dem Sturm auf das Kapitol sind Demokraten und Republikaner quasi gleichauf. Joe Biden versäumte es, die Trump’sche Mär von der gestohlenen Wahl zu entzaubern.

19451960198020002020

Zwei Jahre nach dem Sturm auf das Kapitol sind Demokraten und Republikaner quasi gleichauf. Joe Biden versäumte es, die Trump’sche Mär von der gestohlenen Wahl zu entzaubern.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Demokraten sind mit einem blauen Auge davongekommen. Die red wave dürfte sich nicht zu einem Hurrikan ausgewachsen haben, den Liberalen bleibt die Rolle der lame duck im Kongress wohl erspart. Vorerst. Dennoch müssen ­Biden und Co schnell in die Selbstreflexion übergehen. Die Zwischenwahl in den Vereinigten Staaten von Amerika hat wieder einmal gezeigt, wie gespalten das Land ist. Auch wenn der Ausgang mancherorts eindeutiger ist als prognostiziert, handelte es sich trotzdem um ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Nur zwei Jahre nach dem Sturm auf das Kapitol sind die Demokraten und jene Partei, die den Versuch eines Staatsstreiches zumindest in Teilen mitgetragen hat, quasi gleichauf. Das ist der wahre Erkenntnisgewinn und ein klarer Hinweis darauf, wie verwundbar jener Staat ist, in dem sich 1776 die erste moderne Demokratie der Welt etabliert hat.

Dieser Entwicklung hätten die Demokraten mehr entgegensetzen müssen. Stattdessen überließen sie im Wahlkampf die Themen, die einen Großteil der US-Amerikaner dieser Tage bewegen, fahrlässig den Repu­blikanern. Sie dachten, es reiche aus, sich für das Recht auf Abtreibung einzusetzen und vor den antidemokratischen Tendenzen der Konservativen zu warnen. Eine Bewegung, die mitunter religiöse Züge angenommen hat, lässt sich damit nicht entzaubern. Noch dazu, wenn deren wichtigste Vertreter erklären, Amerika sei keine Demokratie, sondern eine konstitutionelle Republik.

Allerdings ist die Tatsache, dass einige Randgruppen Trump oder einem ähnlich gesinnten Gouverneur die Heilsbringerrolle zuschreiben, für die Biden-Partei das geringste Problem. Viel gravierender ist, dass auch Frauen aus der gesellschaftlichen Mitte, Hispanics, Student(inn)en ins Gegenlager gewechselt sind. Mitnichten weil sie an die Trump’sche Mär von der gestohlenen Wahl glauben.

Die Zapfsäule als Entscheidungsmotor

Die fingierten Narrative der Republikaner waren für sie schlicht das kleinere Übel. Viel schlimmer empfinden sie es, wenn jene Menschen, die als Gesetzgeber auf ihre Lebensbereiche einwirken, von ebendiesen keine Vorstellung zu haben scheinen. Kurzum: Sie fühlen sich angesichts der Teuerung und deren Folgen alleingelassen. Dass sie dieses Gefühl fürwahr trügt, mutet fast tragisch an. Die amtierende Regierung hat durchaus einiges unternommen, um die Inflation abzufedern – aber es verabsäumt, diese Maßnahmen im Wahlkampf auf die eigenen Fahnen zu schreiben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung