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Dieneue Strategie

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Präsident Reagan zeigt Schwäche in der Außenpolitik. Die Demokraten wittern ihre Chance. Nun versuchen sie für das Wahljahr 1988 ein außenpolitisches Programm zu formulieren.

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Präsident Reagan zeigt Schwäche in der Außenpolitik. Die Demokraten wittern ihre Chance. Nun versuchen sie für das Wahljahr 1988 ein außenpolitisches Programm zu formulieren.

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Seit über einem Jahrzehnt hat die Demokratische Partei Amerikas auf dem Gebiet der Außenpolitik weder Form noch Format bieten können. Sie ist vielmehr — quasi Spätfolge des Vietnam-Krieges — zur Partei ohne Konturen geworden. „Man“ wollte sich nicht festlegen, „man“ wollte keine Angriffsfläche bieten, „man“ vermied die klare Aussage, wurde zur Neinsager-Partei. Und nach Regenbogen-Beispiel oder „Laßt tausend Blumen blühen“-Motto verkündete der eine Demokrat je-

nes, der andere das - die Wahlfiaskos waren die Quittung.

Die Präsidentenwahlen 1988 mögen noch in weiterer Ferne liegen, bedrücken aber die Parteistrategen. Deshalb bemühen sie sich neuerdings verstärkt, das Bild der Zerrissenheit zu korrigieren, deshalb hat auch die Führungskommission (Democratic Policy Commission) jetzt den Auftrag erhalten, vor allem eine außenpolitische Strategie zu formulieren. Es gibt aber einen weiteren Grund, weshalb gerade jetzt derartige Aktivität entfaltet wird: Die Demokraten haben erkannt, daß sich Präsident Ronald Reagan in mehrere außenpolitische Einbahnstraßen manövriert hat, und diese Schwächung der republikanischen Seite soll ausgenützt werden.

Das schwerste Handicap für die Demokraten, so ergab eine Umfrage, ist die weitverbreitete Wähleransicht, wonach die Demokraten nicht bereit seien, auf militärische Mittel zum Schutz nationaler Interessen zurückzugreifen. Senator Joseph Biden hat das sehr klar erkannt und gab jetzt einen ersten Hinweis auf die neue Strategie: „Man hat immer wenigstens drei außenpolitische Pfeile im Köcher“, sagt er, „den diplomatischen, den militärischen und den ökonomischen. Wir Demokraten müssen ganz klar deutlich machen, daß wir gewillt sind, alle drei Pfeile zu benutzen.“

Senator Gary Hart, einer der wahrscheinlichsten Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, hat in drei Reden vor Washingtons „School of Foreign Service“, einer Fakultät der Universität von Georgetown, erste neue programmatische Akzente gesetzt. Er entwickelte einige außenpolitische Ideen und Vorstellungen, die sich grundsätzlich von Reagans Außenpolitik unterscheiden.

Er tritt zum Beispiel nachhaltig dafür ein, mit den Sowjets einen Teststopp aller Atomwaffenver-

suche zu vereinbaren. Hart ist auch willens, den Sowjets Teile des SDI-Vorhabens als Tauschobjekt anzubieten: Er würde die Forschung nach einem Rake-tenschutzschild (Strategische Verteidigungsinitiative) beschränken, wenn die Sowjets dafür Konzessionen bei den Abrüstungsverhandlungen machen. Und Hart gab seine Opposition zu Reagans Unterstützung der Con-tras, der nikaraguanischen Rebellen, nachhaltig Ausdruck, fügte aber hinzu: „Wir wären in der Anwendung militärischer Mittel dann gerechtfertigt, wenn Nikaragua Nachbarländer unterwandert — oder wenn Nikaragua, etwa wie Kuba, ein militärischer Stützpunkt der Sowjets wird.“

Nicht alle führenden Demokraten stimmen mit Harts Äußerungen überein. Aber erstens gilt es, nach einer Tagung des Gremiums, als sicher, daß die „Democratic Policy Commission“ sich die von Hart angesprochenen Punkte zu eigen macht, und zweitens ist insgeheim die Parole ausgegeben worden, es picht zu Flügelkämpfen in der Öffentlichkeit kommen zu lassen — die verschiedenen Gruppen innerhalb der Demokratischen Partei sollten vielmehr nur intern diskutieren und Auseinandersetzungen führen, um

nach außen endlich einmal ein Bild der Einheit zu vermitteln.

Senator Biden, der sich möglicherweise auch um die Präsidentschaftskandidatur bemühen wird, ist der Ansicht, daß die Nikaragua-Frage zum beherrschenden Thema amerikanischer Außenpolitik wird. Seine Meinung faßte er in dem Satz zusammen: „Viele Amerikaner haben Angst vor der zu harten Haltung der Republikaner, aber sie meinen gleichzeitig, wir Demokraten seien nicht hart genug.“

Die außenpolitischen Schwächen des Präsidenten sind in jüngster Zeit immer offenkundiger geworden. Mit seiner Ostpolitik, vor allem der Aufkündigung des SALT-Abkommens über Rüstungsbegrenzung, hat Reagan die europäischen Verbündeten zutiefst verschreckt und auch konservative Demokraten verärgert und enttäuscht. Er findet dafür auch kaum Rückhalt in der amerikanischen Öffentlichkeit: Das gleiche gilt für Reagans Nikaragua-Politik. Die Demokraten wittern eine Chance, und sie beginnen, sie zu nützen.

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