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Reagan kann nun stolpern

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Am 4. November finden in den USA Wahlen für Senat und Repräsentantenhaus statt. Schicksalswahlen für Republikaner und Demokraten, die Reagans Politik erschweren könnten.

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Am 4. November finden in den USA Wahlen für Senat und Repräsentantenhaus statt. Schicksalswahlen für Republikaner und Demokraten, die Reagans Politik erschweren könnten.

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Wer geneigt ist — und das sind vor allem viele Europäer —, die bevorstehenden Novemberwahlen in den USA „nur“ als „Zwischenwahlen“ abzutun und auf den viel wichtigeren Entscheid in zwei Jahren, wenn der Präsident zu wählen ist, verweist, wird dem Ereignis dieses Jahres nicht gerecht.

Von welch enormer Bedeutung die Kongreßwahlen sind, geht aus der Tatsache hervor, daß Ronald Reagan im September einen Tag pro Woche in der Provinz und dort als Wahlkämpfer oder Wahlhelfer — für zu wählende Republikaner — verbrachte. Im Oktober hatte Reagan sogar zwei Tage pro Woche für den Wahleinsatz eingeplant, und je näher der November-Wahltermin rückte, um so größer wurde Reagans Wahlkampf-Einsatz.

Es geht für die Republikaner schließlich im November um die Frage, ob sie die Mehrheit im Senat an die Demokraten verlieren oder sie verteidigen, das heißt behalten können. Derzeit gibt es 53 republikanische und 47 demokratische Senatoren.

Im November bemühen sich 19 republikanische und neun demokratische Senatoren um die Wiederwahl, und je drei Sitze gelten als „offen“: Drei demokratische und drei republikanische Senatoren haben ihre Sitze freigegeben, bemühen sich nicht um Wiederwahl.

Ein Verlust der Mehrheit im Senat wäre zweifellos eine Katastrophe für die Republikaner und mehr noch für Reagan. Denn dann, mit Minderheiten in beiden parlamentarischen Gremien—das Repräsentantenhaus beherrschen die Demokraten ja bereits —, müßte die Reagansche Politik ins Stocken, wenn nicht ins Stolpern geraten.

Legislative Initiativen des Weißen Hauses, auch auf den so wichtigen Sektoren Außen- und Verteidigungspolitik, würden erschwert — wenn sie nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt sein müßten. Seine verbleibenden beiden Amts jähre wären dann für Reagan völlig unproduktive, denn er müßte sich gelähmt vorkommen — und wäre das auch in gewisser Hinsicht. Das alles würde sich naturgemäß und zwangsläufig auch auf den Präsi-dentschafts-Wahlkampf in zwei

Jahren auswirken; negativ für die Republikaner, wenn sie keinerlei parlamentarische Mehrheit mehr aufweisen können.

Nicht minder schicksalhaft — und dies einschätzende Wort fällt jetzt immer häufiger - ist die Bedeutung des Wahlausgangs für die Demokraten. Wenn sie in diesem November keine Mehrheit im Senat erringen, dürfte ihnen das für die nächsten Jahre verwehrt bleiben, und dann sind die Demokraten auf lange Zeit die Senats-Minorität.

Das würde heißen, daß Ronald Reagans konservatives Aufbauwerk fortgesetzt und vollendet werden könnte, selbst nach Schluß seiner zweiten Amtsperiode. Wenn die Demokraten den Senat im November nicht mehrheitlich für sich bekommen, dürfte das, so lauten bereits jetzt die übereinstimmenden Prognosen und Analysen, bedeuten, daß sie weitere Zeit im Exil vom Weißen Haus verbleiben müssen.

Übrigens: Wenn sich ein Trend fortsetzt, den US-Wahlanalytiker derzeit eindeutig feststellen, dann wird es demnächst mehr Frauen in amerikanischen Parlamenten und auf Posten geben, die durch Direktwahl vergeben werden, als jemals zuvor. Dieser Trend zeichnete sich bei den Primaries oder Vorwahlen deutlich ab.

Erst zum zweiten Mal in der Geschichte der ySA bewerben sich beispielsweise zwei Frauen im gleichen Bundesstaat um einen Senatssitz. Beide haben in ihren jeweiligen Parteien bei den Vorwahlen männliche Bewerber um die Kandidatur aus dem Feld geschlagen: Barbara Mikulski stellt sich bei den Novemberwahlen als Kandidatin der Demokraten vor, für die Republikaner möchte die Reagan-Vertraute Linda Chavez den Bundesstaat Maryland im Senat repräsentieren.

In Maryland übrigens, das quasi vor den Toren der Bundeshauptstadt Washington liegt, treten zwei Frauen gegeneinander um einen Sitz im Repräsentantenhaus an: Robert F. Kennedys Tochter Kathleen Kennedy-Townsend als Demokratin steht hier gegen die Republikanerin Helen Delich-Bentley.

In zwei Fällen werden im November Frauen gegen Männer um jeweils einen Gouverneursposten antreten: Die Republikanerin Julie Beiaga wird versuchen, den derzeitigen demokratischen Gouverneur William O'Neill zu entthronen, und in Arizona ist es die

Demokratin Carolyn Warner,,die gegen den Republikaner Evan Meacham um das Gouverneursamt antreten wird. In beiden US-Bundesstaaten und beiden Parteien übrigens war die Nominierung von Frauen für den Gouverneursposten umstritten, doch daß schließlich Frauen gekürt wurden, spricht für den Trend, der allenthalben in den USA spürbar geworden ist.

Mit Ausnahme der jugendlichen Kandidatin aus dem Hause Kennedy — Kathleen Kennedy ist 35 —, muß angemerkt werden, daß es sich bei den anderen Kandidatinnen nicht um 30- oder 40jährige handelt, sondern um Frauen um die Fünfzig und um die Sechzig, die damit Lebenserfahrung aufzuweisen haben und auch auf eine berufliche oder politische Erfolgskarriere zurückblicken können.

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