6593782-1952_44_03.jpg
Digital In Arbeit

Außenpolitik und Parteiprogramme

Werbung
Werbung
Werbung

Die wirklich programmatischen, künftige Aktionen betreffenden Teile der Wahlkundgebungen der zwei Parteien vom Juli, wurden von den führenden Politikern sorgsam abgesteckt, nicht nur im Hinblick auf die realen Verhältnisse und die Verantwortlichkeit, die jede der beiden großen Parteien zu gewärtigen hat, sondern auch in Rücksichtnahme auf die unabhängigen oder unentschiedenen Mittelschichten, die zwischen den Parteien stehen und die in jeder funktionierenden Demokratie das Zünglein an der Waage bilden können. Gegenüber dem rasch verhallenden Posaunenschall der Wahlpropaganda, hat das Schwarz-auf-Weiß der Programmsätze der Parteien immerhin einen gewissen Dauexwert.

Wie konnte nun gerade die Außenpolitik der Vereinigten Staaten angesichts verhältnismäßiger Übereinstimmung in den bezüglichen Aktionsprogrammen der zwei großen Parteien in den Mittelpunkt einer erbitterten Auseinandersetzung vor den Wählern rücken? Eben dadurch unterscheidet sich das Wahljahr 1952 von allen vorausgehenden seit Beginn des zweiten Weltkrieges. Franklin D. Roosevelt, der bis 1944 viermal zum Präsidenten gewählt wurde, war ein Anhänger Wilsonscher Ideen. Er plante eine Weltorganisation zur Sicherung des Friedens und der Sicherheit, die er zu Ende des zweiten Weltkrieges mit größerem Erfolg als sein Vorgänger im Jahre 1919 in die Tat umzusetzen hoffte. Sein republikanischer Gegner im Jahre 1940, am Vorabend des Eintrittes der Vereinigten Staaten in den Krieg, Wendeil Wilkie, war nicht minder ein Propagandist internationaler Ideen und seine Broschüre „One World" (Eine Welt) erlebte eine Millionenauflage. In den Jah- I ren 1944 und 1948 hatten die Republikaner den Gouverneur des Staates New York, Thomas Dewey, zum Präsidentschaftsbewerber erkoren. Er hielt nicht nur während der Kriegswahlen, sondern auch 1948 als Wahlgegner des jetzigen Präsidenten Truman außenpolitischen Burgfrieden mit den Demokraten. Dafür und für anderes erntete er von den „die- harts", den unentwegt Konservativen um und rechts von Senator Robert Taft, den Namen eines „me-too"- (ich-auch-) Kandidaten, der, ohne eigene Grundsätze, bloß das Programm des Gegners besser durchzuführen verspreche. Dewey behielt jedoch trotz zweier Wahlniederlagen als Gouverneur des volkreichsten Staates der Union Macht genug in der Hand, um auf der republikanischen Parteitagung in Chikago seinen Kandidaten, General Dwight Eisenhower, gegenüber dem Führer des rechten Flügels, Taft, durchzusetzen. Man hört mitunter die Behauptung, die eigentliche Entscheidung über die Außenpolitik der Vereinigten Staaten sei schon im Juli in Chikago gefallen. General Eisenhower hat unter Truman führende Funktionen nicht bloß von militärischer, sondern auch von hervorragend außenpolitischer Bedeutung bekleidet und gilt — zum Unterschied von Taft — als Vertreter der Kontinuität der bisherigen Außenpolitik Washingtons.

Daß trotzdem die außenpolitischen Leidenschaften im Wahlkampf durchbrachen, ist auf eine Reihe persönlicher und sachlicher Ereignisse zurückzuführen. Seit dem letzten Präsidentenwahljahr 194 hat die amerikanische Diplomatie durch den Fall der nationalen Regierung Chinas eine äußerst schwere Niederlage erlitten. Weite Kreise machen dafür den früheren Staatssekretär Marshall wegen seines Lavierens mit den chinesischen Kommunisten verantwortlich. Der endlose Krieg in Korea gibt Gelegenheit, den jetzigen Staatssekretär Acheson anzugreifen, der wegen angeblicher oder wirklicher Linksneigungen ohnedies bis weit in die Reihen der Demokratischen Partei hinein 6charfe Kritik findet. Der Hauptträger der „Zwei- Parteien-Außenpolitik" im republikanischen Lager, Senator Arthur Vandenberg, starb im April 1951. Das Erbe außenpolitischer Führung in der republikanischen Senatsfraktion fiel damit Senator Taft zu, der sich bis dahin auf die innenpolitischen Angelegenheiten beschränkt hatte. Noch vor Vandenbergs Ableben ging die Rechte zum Angriff über. Vor Weihnachten 1950 hielt der frühere Präsident Hoover seine aufsehenerregende Rede, in der er den amerikanischen Kontinent das „Gibraltar der westlichen Zivi lisation“ nannte, für die Verteidigung Amerikas zu See und in der Luft eintrat, während die Verteidigung des befreundeten Europa zu Lande in erster Linie den betreffenden europäischen Nationen selbst zufalle. Taft folgte ihm bald mit einer ähnlichen, wenn auch merklich gemäßigteren Oppositionsrede gegen die Regierung, die die Kräfte Amerikas guf der ganzen Welt festlege und damit die Gefahr einer finanziellen Erschöpfung der Nation herbeiführe. Taft ist seither Schritt für Schritt auf dem Wege der Mäßigung weitergegangen, so in seinem Buche „A Foreign Policy for Americans" (Eine Außenpolitik für Amerikaner). Gleich Hoover an der These der Konzentrierung der Verteidigung Amerikas auf die See- und Luftwaffe festhaltend, anerkennt er die Bündnisverpflichtungen des nord- atlantischen Vertrages und erklärt sogar sein Einverständnis mit einer beschränkten amerikanischen Landmacht über See. Taft bejaht die Vereinten Nationen. Seine Hauptkritik an dieser Organisation ist, daß sie nicht in erster Linie dem Recht und der Gerechtigkeit unter den Völkern, sondern einem opportunistischen Sicherheitsgedanken dienen soll.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung