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Wahlkampf um Weltpolitik
New York, Ende Oktober.
In dem gegenwärtigen Wahlkampf um das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten spielt die Auseinandersetzung über die Außenpolitik eine führende Rolle. Ein oberflächlicher Beobachter des Wahlfeldzuges, der den Reden der zwei hauptsächlichen WahlwerbeT, General Dwight Eisenhower und Gouverneur Adlai Stevenson, sowie deren Mithelfer lauscht, könnte den Eindruck gewinnen, als ginge es um Sein oder Nichtsein all dessen, was seit dem letzten Kriege den Inhalt der internationalen Beziehungen der nordamerikanischen Union gebildet hat. Die Demokraten, allen voran der jetzige Präsident Truman, werfen dem republikanischen Wahlwerber General Eisenhower vor, er habe, seine Vergangenheit verleugnend, vor dem „Isolationismus" der „Alten Garde" der Republikaner — unter Senator Robert Taft — kapituliert. Die Republikaner hinwiederum rechnen der demokratischen Regierung an Hand der außenpolitischen Bilanz der letzten sieben Jahre vor, daß sie das nationale Interesse Amerikas der kommunistischen Welteroberung preisgegeben habe. „Isolationismus gegen Internationalismus" scheint so der Gegenstand der Wahlschlacht zu sein, die am 4. November entschieden wird.
Wenn nun der gleiche Beobachter die Tageszeitungen mit ihren Schlagzeilen beiseite legt, Rundfunk- und Fernsehgerät abdreht und es unternimmt, die Wahlprogramme zu analysieren, die die zwei großen amerikanischen Parteien im vergangenen Juli beschlossen haben, wird er einige Mühe haben, Unterschiede zwischen ihnen zu entdecken. Wenigstens gilt das, soweit es sich um Forderungen für die künftige Politik handelt. Republikaner und Demokraten drücken da mit verschiedenen Worten Gleiches oder ähnliches aus. Die Hauptunterschiede scheinen in verschieden starker Betonung einzelner Punkte zu liegen. Frieden und Freiheit mit Hilfe internationaler Organisationen, namentlich der Vereinten Nationen, Ab-
wehr der kommunistischen Gefahr sowohl in Europa als auch in Asien, Ausbau des Welthandels auf Grundlage der Gegenseitigkeit, Stärkung der nationalen Verteidigungsmacht und die Verherrlichung der amerikanischen Freifaeitsideale, finden sich in beiden Wahlprogrammen. Der Gegensatz besteht nicht so sehr darin, was nach dem 4. November geschehen soll, als in der Wertung dessen, was bisher geschehen ist. Es ist begreiflich, daß die Republikaner, die seit zwanzig Jahren das bittere Brot der Opposition essen, nur die Mißerfolge der demokratischen Regierung im Kampf mit dem Kommunismus sehen:
die Einverleibung der osteuropäischen Staaten in die Bannmeile der Sowjetmacht, den Sieg des Kommunismus in China, den äußerst unpopulären Krieg in Korea und die steigenden Lasten der Aufrüstung. Andererseits weisen die Demokraten auf die fortschreitende politische und wirtschaftliche Festigung der west- und mitteleuropäischen Demokratien, die mit amerikanischer Hilfe erreicht wurde, auf die militärische Stärkung der Vereinigten Staaten und deren Bundesgenossen in der nordatlantischen Organisation sowie auf die erfolgreiche Verteidigung Südkoreas.
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