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Die One-man-show

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Da Carters erste große Weltreise ein Erfolg zu werden verspricht, sind seine Mitarbeiter im Weißen Haus bereits mit der Vorbereitung der nächsten großen Präsidentenreise beschäftigt, die noch schneller ablaufen und noch mehr Länder einbeziehen und noch größere Erfolge einbringen und schon am 1. April beginnen soll

Als erste Station ist New Delhi eingeplant, wo Präsident Carter am Abend des 1. April, es ist ein Samstag, um 22.03 Uhr eintreffen und nach der offiziellen Begrüßung, die bis 22.05 Uhr dauern soll, dem indischen Regierungschef genaue Erläuterungen darüber zukommen lassen will, wie die Äußerungen über den indischen Ministerpräsidenten gemeint waren, die Carter während seiner ersten Weltreise Außenminister Vance gegenüber von sich gegeben hat, ohne auf die leider eingeschalteten Mikrophone der Fernsehleute zu achten.

Der Gedanke, den Präsidenten sofort nach dieser ruhigen, sachlichen und friedlichen Unterredung mit dem indischen Ministerpräsidenten um 22.37 Uhr in Richtung Warschau weiterfliegen zu lassen, wurde mittlerweile bereits wieder ad acta gelegt. Carter wird demnach die Nacht vom Samstag auf den Sonntag in Indien verbringen und erst Sonntag um 5.30 Uhr morgens nach Polen starten. Sollten dem Präsidenten neue Äußerungen unterlaufen, die in Indien mißverstanden werden könnten, sollen diese im Lauf der übernächsten Weltreise des Präsidenten applaniert werden.

In Polen, wo sich Präsident Carter diesmal volle 18 Stunden aufhalten wird, will Carter die Gastgeber dazu überreden, gemeinsam mit ihm ein Memorandum zu unterzeichnen, in dem erklärt wird, es seien nützliche Gespräche im Geist der aufrichtigen Freundschaft geführt worden und beide Länder seien der Ansicht, unter Menschenrechten seien Rechte zu verstehen, die jedem Menschen zustehen.

Am Montag will Carter im Nahen Osten eintreffen und zunächst in Tel Aviv mit Sadat und anschließend in Kairo mit Begin, später in Beirut mit König Hussein und in Amman mit Asad sprechen, um niemanden zu beleidigen. Jedem dieser Politiker wird eine volle Viertelstunde zugestanden, die selbstverständlich sehr genau eingeteilt werden muß, um zu erreichen, daß Carters Friedensmission im Nahen Osten tatsächlich noch vor dem Morgengrauen des Dienstags - den der Präsident, abgesehen von einem kurzen Abstecher nach Bukarest, in Teheran verbringen will - abgeschlossen werden kann.

Sobald es Carter in Teheran gelungen ist, den Schah dazu zu überreden, seinerseits die USA zur Lieferung eines halben Dutzends weiterer Kernkraftwerke zu überreden, will er auf dem Weg nach Reykjavik die Bundesrepublik überfliegen und in einem Ferngespräch zwischen seiner Maschine und dem Bonner Kanzleramt Bundeskanzler Schmidt ersuchen, im Interesse de Weltfriedens überhaupt auf den Export von Kernkraftwerken zu verzichten und ihm als Gegenleistung die Abnahme einiger Millionen deutscher Gartenzwerge garantieren. In der isländischen Hauptstadt wird Carter eine Pressekonferenz für 1500 Journalisten geben, die eine volle Dreiviertelstunde dauern soll und auf der dem Präsidenten 30 Fragen von je zehn Sekunden Länge gestellt werden, die er in jeweils 80 Sekunden beantworten wird.

Unmittelbar nach der Pressekonferenz in Reykjavik werden wieder die Jumbojets bestiegen, da ja im Lauf der noch verbleibenden vier Tage noch weitere sechs Krisenherde aufgesucht und dem Frieden nähergebracht werden sollen, indem der Präsident erklärt, wie seine auf der ersten Weltreise mißverstandenen Äußerungen tatsächlich gemeint waren.

Im Weißen Haus werden unterdessen Nummern ausgestanzt, die in den von Carter in sein Reiseprogramm aufgenommenen Ländern an jene Politiker ausgegeben werden sollen, die zwar keinen persönlichen Gesprächstermin mit dem Präsidenten beanspruchen, aber im Hinblick auf künftige Wahlplakate mit ihm gemeinsam photogra-phiert zu werden wünschen.

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