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LUKIAN

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„Was ist denn das für ein Geschrei auf dem Gang“, sagte Präsident Carter, „was für Leute sind das überhaupt?“

„Die Abgesandten von Eniwetok“, sagte Außenminister Vance.

„Der Name kommt mir bekannt vor“, sagte Carter, „hat Nixon etwa auch diese armen Menschen auf dem Gewissen? Sind das welche von den amerikanischen Verbündeten in Südostasien, die wir schmählich im Stich gelassen haben?“

„Eniwetok liegt im Stillen Ozean“, sagte Vance.

„Dort haben wir doch gar keinen Krieg geführt?“ sagte Carter, „wie groß ist denn überhaupt die Bevölkerung von Eniwetok? Und wieviele Auswanderer aus Eniwetok leben in den USA? Können sie mir bei den nächsten Präsidentschaftswahlen gefährlich werden? Setzen Sie sich sofort für ihre Menschenrechte ein und versprechen Sie ihnen einen Kredit!“

„Die Leute draußen“, sagte Vance, „sind der größte Teil aller Eniwetokia- ner, von denen es nämlich nicht einmal 150 gibt. Wir haben sie seinerzeit mit Kriegsschiffen von ihren Inseln abtransportiert und einstweilen irgendwo einquartiert, weil wir nämlich das Eniwetok-Atoll als Versuchsgelände zum Ausprobieren der ersten Wasserstoffbomben benötigt haben.“ „Na, dann schicken wir die armen Leute doch nach Hause zurück“, sagte Carter, , jetzt müßte man die Inseln doch wieder bewohnen können?“

„Ja“, sagte Vance, „wenn wir die oberste Erdschichte abtragen und in einigen hundert Kilometern Entfernung ins Meer versenken, könnte es gehen. Das ist es ja eben. Die Leutchen wollen nicht nach Hause zurück.“

„Dann sollen sie doch gehen, wohin sie wollen“, sagte Carter.

„Erstens“, sagte Vance, „haben wir uns der UNO gegenüber verpflichtet, sie dorthin zurückzubringen, von wo wir sie weggebracht haben. Außerdem haben sie sich ausgerechnet, daß die Kosten für das Wiederbewohnbarmachen ihrer Inseln so hoch sind, daß da für auf jeden von ihnen ein Einfamilienhaus mit Garten, ein Cadillac und ein kleines Bankkonto entfiele. Jetzt wollen sie uns ihre Inseln schenken und jeder ein Einfamilienhaus mit Garten, einen Cadillac und ein Bankkonto. Es wäre vielleicht kein schlechtes Geschäft, aber dann nennen uns die Sowjets wiedereinmal Imperialisten …

„Führen Sie die Delegation herein“, sagte Carter, „ich werde den Leutchen klarmachen, wohin sie gehören!“

„Hallo, Mister President“, sagte der erste Eniwetok-Vertriebene.

„Untreue gegenüber der alten Heimat, wie finde ich denn das?“ sagte Carter, „aber ich will mich nicht lumpen lassen, ich werde anordnen, daß nach der Abtragung der radioaktiv verseuchten Erdschicht sogar frisches Grün auf Eniwetok angesetzt wird, damit Sie sich dort wohlfühlen!“

„Wir berufen uns auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker“, sagte der Sprecher der Inselbewohner, „unser Volk schenkt Ihnen seine Heimat. Geben Sie uns als Ablöse je ein Haus mit Garten, einen Cadillac und den Rest in bar heraus!“

„Das geht nicht“, sagte Carter, „aber wenn Sie brav heimfahren, bekommt jeder von Ihnen seinen hübschen, kleinen Garten.“

„Mit Haus?“ sagte der Insulaner.

„Darauf soll es auch nicht mehr ankommen“, sagte Carter grimmig.

„Gemauert, mit Stereo- und Klimaanlage, Kühlschrank, Waschmaschine und selbstverständlich modern möbliert?“ sagte der Inselbewohner.

„Kehren Sie dann wirklich heim?“ sagte Carter langsam rot anlaufend.

„Das hängt davon ab“, sagte der Eniwetok-Mann, „ob die Häuser eine Garage haben und ob vor jeder Garage ein Cadillac steht oder wenigstens ein japanischer Compact-Wagen.“

„Und Sie versprechen…?“ schrie Carter.

„Ja“, sagte der Mann milde, „wir versprechen, sofort nach der Übernahme der Insel wieder nach Washington zu kommen, um die Einzelheiten der amerikanischen Reparationszahlungen zu erörtern. Oder ist es Ihnen lieber, wir nennen es Entwicklungshilfe?“

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