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LUKIAN

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Also”, sagte Henry Kissinger zu seinem Nachfolger, „nachdem ich Ihnen alles gezeigt habe, kann ich ja wohl heimgehen. Wie Sie sehen, übernehmen Sie einen sauber aufgeräumten, tadellos in Schuß befindlichen Laden. Bringen Sie mir nur nicht wieder alles durcheinander, ja? Bye-bye!”

Augenblick, Henry”, sagte Vance und öffnete einen Schrank, „da hinten, in diesem Fach, ist mir vorhin etwas aufgefallen. Dieses Häufchen - was bedeutet das?”

„Dieses bißchen kambodschanischer Dreck ist doch wirklich nicht der Rede wert”, sagte Kissinger, „bedenken Sie doch, das war das Vietnam-Fach, Sie können sich gar nicht vorstellen, was es mich gekostet hat, das auszuräumen. An Ihrer Stelle würde ich diese paar Krümel nicht einmal ignorieren, sonst fangen sie wieder zu wachsen an, in dieser Weltecke weß man nie.”

„Na schön”, sagte Vance, „aber hier, wo ich stehe, diese Unebenheit - sagen Sie, Henry, hat der Fußboden in Ihrem Laden eigentlich Buckel?”

,(Nein”, sagte Kissinger indigniert, „das ist kein Salon, sondern das State Department. Sie stehen einfach auf ein paar Brocken rhodesischer Konfliktstoffe. Da Sie den Laden so plötzlich übernehmen mißten, habe ich das Zeug eben schnell unter den Teppich gekehrt, damit es ordentlich aussieht. Ist aber nicht der Rede wert. Rühren Sie nicht dran, diese Unebenheiten verschwinden schon von selbst.”

„Und wenn nicht?” sagte Vance. Ach”, sagte Henry, „dann treten Sie einfach mal fest drauf herum, dann spürt keiner mehr, daß da mal was war. Jetzt muß ich aber wirklich gehen. Machen Sie’s gut!”

„Moment, Moment”, rief Vance, „bleiben Sie noch, was soll ich denn machen, ich kenne mich doch nicht aus, da sehe ich eine Lade, aus der das Zeug nur so herauszuquellen scheint…” „Die”, sagte Kissinger widerwillig, „habe ich selbst niemals geöffnet. Ich kann Ihnen nur raten, tun Sie es auch nicht. Da drinnen brodelt der nordirische Konflikt vor sich hin, und wenn Sie da auch nur im geringsten hineinblasen, fliegt Ihnen das ganze Zeug möglicherweise ins Gesicht. Also, dann!”

„Henry”, sagte Vance’zornig, „was sehe ich? Übergibt man denn in diesem Zustand einen Betrieb? Ein voller Aschenbecher auf dem Tisch ist schon eine Ungehörigkeit, aber daß das Zeug auch noch qualmt und stinkt, finde ich unverzeihlich. Konnten Sie das denn nicht ausleeren?”

Ach, Vance”, sagte Henry traurig, „wenn Sie wüßten, welche Mühe ich hatte; diese schaurige Angelegenheit überhaupt erst einmal zu löschen! Das sind doch die Reste des libanesischen Bürgerkrieges, haben Sie es nicht brennen gesehen, als Sie über die Straße gingen?”

Ach, das war die Ursache des Feuerscheines im Geschäft, als ich rüberkam”, sagte Vance, „sind Sie sicher, daß das nicht von neuem aufflammt?” „Ich bitte, sich zu überzeugen”, sagte Kissinger, „daß es jetzt nicht brennt - nicht, daß Sie mir die Schuld geben, falls es wieder anfängt. Ich habe nichts mehr damit zu tun.”

„Ist das Tischfeuerzeug neben dem Aschenbecher benützbar?” sagte Vance.

,ßas ist Südafrika”, sagte Kissinger, „Sie werden sich damit nicht weniger ärgern als ich, aber Sie wollten das Geschäft ja übernehmen. Das Paket unter meinem Sessel enthält Plutonium teils indischer und teils ungeklärter Herkunft. Es ist vielleicht besser, wenn Sie mit dem Sessel nicht schaukeln. Und wenn Sie im Zimmer auf und ab gehen, treten Sie bitte nicht in diese Ecke-hier liegt nämlich alles, was meine Vorgänger unter den Teppich gekehrt haben.”

„Hoffentlich glost es nicht mehr”, sagte Vance.

,JVaja”, sagte Kissinger, „von Zeit zu Zeit schlagen kleinere Flammen heraus, dann laufe ich in den Nachbarladen um einen Kübel Kredite und schütte ihr einfach drauf.”

,ßs freut mich, daß Sie so ehrlich waren”, sagte Vance, „ich hoffe, das ist alles?”

„Fast alles”, sagte Kissinger, „bis auf die beiden Schränke dort. Im einen ist israelisches Feuer, im anderen arabisches Pulver, und wenn Sie mit dem Fuß fest aufstampfen, springen beide auf. Sie sollten daher niemals fest auf- stampfen. Am besten bewegen Sie sich ruhig, aber bestimmt durch das Zimmer. Sie werden sicher viel Spaß mit Ihrem neuen Job haben und sich in diesem Raum sehr wohl fühlen. Aber jetzt gehe ich wirklich. Meine Frau wartet. Und wie gesagt. Bringen Sie nicht mutwillig durcheinander, was ich Ihnen so wohlgeordnet übergebe!”

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