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Cyrus Vance: Nein zur PLO

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„Die PLO ist nicht bereit, die Existenz Israels anzuerkennen und die Beschlüsse 242 und 338 des Sicherheitsrates der UN (in der nur die Teilnahme der Konfliktparteien Ägypten, Syrien, Jordanien und Israel an der Friedenskonferenz festgelegt ist), als Rahmen der Genfer Friedenskonferenz zu akzeptieren. Unter diesen Umständen glaube ich nicht daran, daß die PLO an der Genfer Konferenz teilnehmen wird. Diese Ansicht habe ich auch nach meinem Besuch in Israel nicht geändert, ich will jedoch betonen, daß die legitimen Interessen des palästinensischen Volkes der Schlüsselpunkt zur Lösung des Nahostkon- flikts sind.” Dies erklärte der neue amerikanische Außenminister, Cyrus Vance, nach Abschluß seines Besuches in Jerusalem.

Die Nahost-Reise des Außenministers war der Beginn einer neuen politischen Initiative der USA im Nahen Osten. Getragen wird diese Initiative auch von einer neuen Mannschaft. Die Stationen von Cyrus Vance bei seiner ersten Nahost-Reise in neuer Funktion waren Israel, Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien, Syrien und der Libanon. Die neue US-Regierung sieht die Situation im Nahen Osten nüchtern: Sie verspricht sich noch keinen Durchbruch. Vance hatte auch keine neuen Vorschläge mitgebracht; ihm ging es in erster Linie darum, mit den verschiedenen Staatsmännern Kontakt aufzunehmen und zu zeigen, daß der Nahe Osten in der amerikanischen Außenpolitik weiterhin einen entscheidenden Platz einnimmt.

Zur Zeit kämpft die israelische Arbeiterpartei noch immer gegen die Folgen ihrer „Watergate”-Affäre, die zum Selbstmord des Wohnbauministers Ofer und zur Verurteüung des designierten Staatsbankpräsidenten Yadlin führte, der Bestechungsgelder erhalten hat. Als die Affäre in der Öffentlichkeit bekannt wurde, nannte Yadlin weitere Namen von Spitzenfunktionären der Partei, die bei der illegalen Finanzierung des letzten Wahlkampfes eine Rolle spielten.

Trotzdem bestand Vance darauf, seine diplomatische Reise in Israel zu beginnen. Außerdem - betonte er in einer Pressekonferenz - berge jeder weitere Aufschub die Gefahr eines neuerlichen Krieges in sich. Vance hatte auch persönliche Motive für seine Mission: er versuchte Israel und die arabischen Staaten zu einer weiteren Friedenskonferenz zu drängen, und dabei bessere Resultate als sein Vorgänger Kissinger erzielen zu können.

Der Bürgerkrieg im Libanon schwfelt derzeit unter der Decke; in Kairo, Tel Aviv und Damaskus betont man in pÄtischen Kreisen immer wieder die miä(j£hkeit der Interimsabkommen im S mdjf und auf den Golanhöhen. Die Tatsache, daß Syrien ein Bataillon, entgegen einem anderen Abkommen, in der Nähe der libanesisch-israelischen Grenze stationiert und damit die rote Linie überschritten hat, ändert das Bild nur wenig.

Erst wenn die Staatsmänner des Nahen Ostens nach Washington zu Präsident Carter eingeladen werden, will die US-Regierung den Besuchern einen neuen Friedensplan unterbreiten. Cyrus Vance soll diesen Plan an Hand der Informationen, die er bei dieser Reise sammelte, ausarbeiten.

Obwohl die Hilfe der Sowjetunion nicht unbedingt notwendig ist, hat sie ein Mitspracherecht als Mitvorsitzender bei der Genfer Friedenskonferenz. Die Israeli haben sich jedoch beim Besuch des amerikanischen Außenministers in Jerusalem beklagt, daß die Sowjets sich Israel gegenüber feindse-- hg verhalten und daher keine neutrale Stellung als Vermittler einnehmen können. Vance kündigte an, er werde Ende März nach Moskau fahren. Dort werde er erfahren, wieweit die Politi ker des Kremls bereit seien, eine wahre Vermittlerrolle zu spielen. Sollte sich die Sowjetunion auf ihre herkömmliche Position versteifen, würden die USA Ende 1977 eine Friedenskonferenz einberufen. Dann allerdings ohne Teilnahme der Sowjets, jedoch in einem ähnlichen Rahmen wie die Genfer Friedenskonferenz.

Von israelischer Seite wurde betont, daß man grundsätzlich bereit sei, an einer solchen Friedenskonferenz teilzunehmen. Drei Monate vor den Wahlen sei es jedoch für die Minderheitsregierung schwer, derart schwerwiegende Verpflichtungen einzugehen. Immerhin ist die Regierung Rabin bereit, den Schwerpunkt ihrer Politik auf außenpolitische Probleme zu verlegen, da sie in der Innenpolitik fast durchwegs Schiffbruch erlitten hat.

Präsident Carter hat die Israeli wissen lassen, daß er in der Zeit vor den Wahlen keinen Druck auf den Judenstaat ausüben will, um ihn zu einer Lösung zu zwingen. Vance begnügte sich mit der Erklärung des Außenministers Allon, die auch von Ministerpräsident Rabin bestätigt worden ist, daß Israel für einen Frieden zu großen territorialen Zugeständnissen bereit sei. Er diskutierte mit den Israeli auch nicht über ihren Widerstand gegen einen eventuellen palästinensischen Staat in Westjordanien und im Gazastreifen. Israel zieht bekanntlich Jordanien als Nachbarn vor.

Jedenfalls sind zur Zeit die Aktien des Wüstenkönigs Hussein am Westufer des Jordans und im Gazastreifen im Steigen begriffen. Sogar die arabische Bevölkerung sieht in König Hussein mehr und mehr einen palästinensischen Führer. So fuhr dieser Tage das erste Mal seit dem Bestehen des Judenstaates eine Delegation israelischer Araber nach Jordanien, um König Hussein einen offiziellen Kondolenzbesuch abzustatten. Die arabische Presse in Westjordanien, die bis vor kurzem fast ausschließlich als Sprachrohr der PLO diente, neigt heute mehr zum König.

Präsident Carter versucht vorerst, sich mit allen Konfliktstaaten des Nahen Ostens auf guten Fuß zu stellen. Den Israeli garantiert er 285 Millionen Dollar mehr als die 1,5 Milliarden, die Israel von Präsident Ford versprochen worden waren. Zur gleichen Zeit versprach Carter 750 Millionen Dollar technische Hilfe an Ägypten, 220 Millionen für Jordanien und 90 Millionen Dollar für Syrien-Geldgeschenke des großen Bruders Amerika, mit denen die Sowjetunion wohl kaum konkurrieren kann.

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Kissinger ist Vance gründlicher und verläßt sich nicht auf Improvisationen. Er ist zwar nicht so flink im Frage- und Antwortspiel, verblüfft seine Zuhörer auch nicht, doch scheut er sich nicht, zu schweigen, wenn er keine Antwort geben will, oder trocken zu erklären, daß er eine Frage nicht beantworten könne. Mit nach Israel brachte er einen lang vorbereiteten Fragebogen, den er nach seiner Ankunft in Jerusalem gemeinsam mit den politischen Referenten der amerikanischen Botschaft auf den letzten Stand brachte.

Die neu politische Initiative zur Lösung des Nahost-Konfliktes begann mit der Nahostkommission des UN- Generalsekretärs Waldheim, der eine Woche vor Vance den Nahen Osten bereiste. Waldheim wollte den Beschluß der UN-Vollversammlung, die Einberufung der Genfer Friedenskonferenz unter Teilnahme der PLO, der mit der Mehrheit des Ostblocks und der Dritten Welt gefaßt worden war, in die Tat umsetzen. Die vorausgehenden Beschlüsse des Sicherheitsrates der UN wurden von der Vollversammlung ignoriert. Bei Waldheim versteiften sich alle Parteien auf ihre bereits festgefahrenen Positionen: Die Araber auf die Teilnahme der PLO an der Genfer Konferenz - entweder als separate Delegation oder als Teil einer arabischen Delegation - und die Israeli auf Fortsetzung der ursprünglichen Genfer Friedenskonferenz vom Dezember 1973, ohne Teilnahme der PLO. Die arabischen Staaten konnten durch den Waldheim-Besuch wenigstens einen propagandistischen und taktischen Sieg erringen, da die Israeli den UN- Beschluß nicht anerkennen wollen. Damit hatte Waldheim jedoch seine Vermittlerrolle wieder ausgespielt. Im Gegensatz zu Cyrus Vance, der den reichen „Onkel Sam” vertritt, ist Waldheim eben nur ein Vertreter der armen, machtlosen UN.

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