Briefe aus Washington von Peter Millonig

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Die Debatte

Aus dem Jahre 1858 sind die Lincoln/Douglas-Wahldebatten bekannt. Zunächst ergriff Kandidat A das Wort und hielt ein einstündiges Plädoyer. Dem folgte eine 90-minütige Replik des Kontrahenten. Worauf eine halbstündige Gegenreplik das öffentliche Spektakel beendete.

Heute wäre ein solches Format undenkbar. Wer würde schon drei Stunden vor dem Bildschirm ausharren? Und welches Wahlkampfteam würde seinen Kandidaten so lange den TV-Kameras aussetzen wollen? Deshalb wurde für das erste Bush/Kerry-Fernsehduell in Florida (und für die folgenden) auch ein 32seitiges Memorandum für die Regie aufgesetzt. Selbst wenn ein Streitgespräch solcherart zum gemeinsamen Auftritt mutiert, sind amerikanische TV-Debatten der Präsidentschaftskandidaten brisante Ereignisse.

Seit 1960 gab es davon acht - und nur in zwei Fällen hatten sie keinen Einfluss auf das spätere Wahlergebnis: 1980, als Jimmy Carter wegen der Iran-Geiselaffäre politisch abgeschrieben war; und 1996, als ein charismatischer Bill Clinton keinen Zweifel an seinem präsidialen Format ließ.

Doch 1960 etwa sah die Welt einen schweißgebadeten Richard Nixon vor der Kamera, 1976 wusste Gerald Ford nicht, dass der Ostblock die Einflusssphäre der Sowjetunion war, und 1988 blieb Michael Dukakis stoisch, als er gefragt wurde, ob er für die Todesstrafe wäre, wenn es um den Mörder seiner Frau ginge. Diese Pannen, medial verbreitet, versetzten den jeweiligen Kandidaten den Todesstoß.

Beim Bush/Kerry-Duell gab es keine wirklichen Schnitzer. John F. Kerry wirkte staatsmännisch, informiert, souverän. George W. Bush hingegen verärgert, zaghaft und stur. Kerry meint, die Außenpolitik der USA sei verfahren. Für Bush ist die Situation im Irak zwar schwierig, aber bewältigbar, Wankelmütigkeit hält er freilich für fehl am Platz; er selbst sei der Garant für Entschlossenheit und Stabilität. Herausforderer Kerry behauptet, nur eine andere Politik könne den ersehnten Sieg über den Terrorismus herbeiführen. Ins Weiße Haus müsse wieder Glaubwürdigkeit einziehen, um die kollektive Irreführung und den Isolationskurs der Vereinigten Staaten zu beenden.

Gewichtige Argumente im Gegensatz zu den Plattitüden des amtierenden Präsidenten.

Der Autor lebt als Industriekonsulent in Washington D.C. und publiziert in amerikanischen und europäischen Print-Medien.

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