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Der künftige US-Präsident wird Europa herausfordern, sich seiner selbst neu zu vergewissern.

John F. Kerry hat es geschafft. Nach müdem Beginn gelang es ihm, in einem starken Finish - einschließlich der TV-Debatten - zu punkten. Der Demokrat wird im Jänner 2005 als 44. Präsident der Vereinigten Staaten ins Weiße Haus einziehen.

Damit haben nicht nur Lauren Bacall, die kürzlich bei einem Wien-Besuch erklärte, "am Dienstag muss ich George Bush abwählen", und jene Amerikaner, die so dachten wie sie, ihr Ziel erreicht; mit dem Sieg von John F. Kerry erfüllten sich wohl auch die Hoffnungen der überwältigenden Mehrheit der Europäer.

Etliche dieser Hoffnungen kann man wohl getrost als Illusionen bezeichnen; sie dürften sich aus einer Mischung aus mangelndem Wissen und Naivität speisen - gewissermaßen die Kehrseite der dualistischen Weltsicht, mit der uns die Bushies vier Jahre lang gepeinigt haben: Bei manchen der europäischen Fans von Michael Moore scheint die Wahrnehmungsfähigkeit von Grautönen zwischen Schwarz und Weiß ähnlich unterentwickelt wie bei Bushs rechtskonservativen, christlich-fundamentalistischen Beraterkreisen.

Aber auch jenseits von "Fahrenheit 9/11" gibt es Grund zur Zuversicht: Kerry wird gegenüber Europa zweifelsohne verständnisvoller, kooperativer agieren als Bush und viele seiner Vorgänger. Eine dadurch mögliche Neubelebung der transatlantischen Beziehungen kann freilich keine Einbahnstraße sein. Wenn Kerry auf Europa zugeht, nimmt er es auch in die Pflicht - und wir Europäer sollten den US-Präsidenten entsprechend beim Wort nehmen.

Das wird deutlich mühsamer sein, als die Pflege von Feindbildern, die bekanntlich die Vergewisserung über den eigenen Standort erspart. Nein-Sagen allein wird künftig zu wenig sein - ohne dass freilich kritiklose Übernahme amerikanischer Weltsicht angesagt wäre.

Im Übrigen darf man sich als (kirchenskandalgeplagter) Katholik darüber freuen, dass der Katholik Kerry auch in weltanschaulich-religiösen Fragen die mit rechtsstaatlicher Demokratie weitaus kompatibleren Positionen vertritt als sein Konkurrent.

rudolf.mitloehner@furche.at

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