Irans durchsichtiges Spiel

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Das iranische Regime spielt auch mit der Montag feierlich unterzeichneten Erklärung in der Atomfrage wieder einmal nur auf Zeit, analysiert die NZZ.

Spricht Mahmud Ahmadinejad im Ausland, so kommen einem Zweifel an seiner geistigen Zurechnungsfähigkeit – etwa wenn der iranische Präsident zum Besten gibt, in seinem Land gebe es keine Homosexuellen, oder wenn er behauptet, wie jüngst im amerikanischen Fernsehen, der Terroristenchef bin Ladin habe Unterschlupf in Washington gefunden. Aber eines muss man diesem Politiker lassen: Im diplomatischen Schachspiel erweist er sich als raffinierter Taktiker, der seinen Kontrahenten Mal für Mal den Meister zeigt. Die am Montag von Iran mit Brasilien und der Türkei unterzeichnete Deklaration zur Atompolitik hat dies erneut bestätigt. Als Ahmadinejad mit seinen Amtskollegen Lula da Silva und Erdogan wie ein siegreicher Sportler die Hände jubelnd emporstreckte, so hatte er allen Grund dazu: Ihm war ein diplomatischer Coup geglückt.

Erfolgreiche Sabotage

Iran geht in dem Dokument auf den internationalen Vorschlag ein, einen Teil seines Bestandes an schwach angereichertem Uran gegen höher angereichertes Uran einzutauschen. Einen solchen Deal hätte das Regime in Teheran schon im Herbst haben können, doch nun – nach acht Monaten erfolgreicher Hinhaltetaktik – erscheint ihm der Nutzen viel höher: Indem sich Iran scheinheilig von einer angeblich konstruktiven Seite zeigt, versucht es die westliche Kampagne für schärfere Strafmassnahmen gegen die Islamische Republik zu durchkreuzen. Die Gegner eines härteren Kurses im Uno-Sicherheitsrat haben nun ein neues Argument zur Hand: Seht her, die Iraner sind kompromissbereit, es geht auch ohne Sanktionen! Dass Teheran in den Kernpunkten des Atomstreits seit Jahren keine Kompromissfähigkeit zeigt und mit seinem jüngsten Schachzug von diesem Problem nur ablenkt, wollen viele Länder nicht wahrhaben. Zwar hat die amerikanische Aussenministerin Clinton am Dienstag überraschend von einer Einigung der Uno-Vetomächte auf eine neue Runde von Sanktionen gesprochen. Wie tragfähig der angebliche Konsens in Wirklichkeit ist, bleibt jedoch abzuwarten. China hat sich noch nicht dazu geäussert, die Türkei sowie Brasilien, Irans Erfüllungsgehilfen, die derzeit beide im Sicherheitsrat sitzen, lehnen Sanktionen weiterhin ab.

Abschreckende Beispiele

Um den Wert der Teheraner Übereinkunft zu ermessen, lohnt sich ein Rückblick auf die Vorgeschichte. Die in Washington geborene Idee einer Umwandlung von iranischem, schwach angereichertem Uran, wie es für Kernkraftwerke zum Einsatz kommen kann, in höher angereichertes Uran, wie man es zur Herstellung medizinischer Isotope benötigt, fusste ursprünglich auf drei Überlegungen: Erstens ging es darum, anhand eines überblickbaren, wenn auch nebensächlichen Teilproblems den Dialogwillen Irans zu testen. Zweitens wollte man verhindern, dass Iran unter dem Vorwand der medizinischen Forschung selber mit der Anreicherung von Uran auf einen Grad von 20 Prozent beginnen würde. Nun steht fest: Die Anreicherung von Uran auf 20 Prozent ist nicht mehr verhindern, denn Iran hat damit bereits begonnen und will sie auch künftig fortsetzen. Trotzdem wäre es zu überlegen, ob die USA und ihre Verbündeten Iran nicht einfach beim Wort nehmen sollten. Wenn der Westen nun nichts mehr von einem Uran-Deal wissen will, beschert er Ahmadinejad womöglich nur einen weiteren Propagandaerfolg. Unnachgiebig sollte er dagegen auf den Kern des Problems hinweisen – dass Iran vier Aufforderungen des Sicherheitsrats zur Beendigung jeglicher Anreicherung ignoriert und seine Verpflichtungen gegenüber der Uno-Atombehörde systematisch verletzt. Das sind Gründe genug, um schärfere Sanktionen zu verhängen.

* Aus: Neue Zürcher Zeitung, 19. Mai 2010

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