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Mit Briefen gegen Alkohol

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„Für die Entscheidung zwischen dem Alkoholgenuß und dem öffentlichen Amt stelle ich eine Frist von einer Woche. Von jetzt an dulde ich keine Entschuldigung mehr für den Alkoholkonsum im öffentlichen Dienst!“ Ein „offener Brief“ ihres Staatschefs Generalmajor Dschaafar en-Numeiri mit diesem erstaunlichen Inhalt flatterte dieser Tage auf die Tische der perplexen Staatsbeamten in der sudanesischen Hauptstadt Khartum. Der Brief richtete sich auch an die Funktionäre und Mitglieder der Einheitspartei „Sudanesische Sozialistische Union“ (SSU), das Offizierskorps, Diplomaten, Journalisten, das Lehrpersonal an Schulen und Hochschulen des Landes.

Für übermäßigen Alkoholgenuß, zu dem das feuchtheiße Klima geradezu verführt und der eben dadurch aber auch multiplizierende Wirkung hat, waren schon die britischen Kolonialoffiziere bekannt. Sie verbrachten gewöhnlich sogar einen Teil ihrer Dienstzeit nicht in den stickigen Büros, sondern bei Bier, Whisky oder Gin auf der luftigen Terrasse eines alten Luxushotels am Nilufer. Das verderbliche Beispiel, hervorgerufen durch die schlechte Verträglichkeit des Klimas für Weiße, machte schon damals Schule auch bei der einheimischen Beamtenschaft. Die Unabhängigkeit änderte daran nichts.

In Khartum findet man auch heute noch sogar höhere Ministerial-beamte häufig nicht in ihrem Büro, sondern in ihrer Stammkneipe. Wer sich das nicht leisten kann, hat gewöhnlich eine Flasche „hard drinks“ in einem Schreibtisohfach und bekämpft damit von innen her die schwer erträgliche hohe Luftfeuchtigkeit. Unter dem Alkoholismus der Staatsdiener leidet naturgemäß die ohnehin nicht sehr effektive öffentliche Verwaltung.

Das Groteske an dem zitierten „offenen Brief“ des Präsidenten en-Numeiri ist dessen eigenes Verhältnis zum Alkohol. Schon sein Vorgänger als Diktator, General Ibrachim Abbud, war ein standfester Trinker. En-Numeiri steht ihm mengenmäßig nicht nach, wohl aber in der Standfestigkeit. Als Mitte 1971 eine linksradikale Offiziersgruppe, unterstützt von der seitdem verbotenen Kömmuhistischen Part*?Airifl'der Sowjetunion, sich des Staatschefs bemächtigte, wehte ihnen bei der Erstürmung seines Büros ein starker Alkoholdunst entgegen. Der Präsident war so benebelt, daß er sich widerspruchslos festnehmen und einsperren ließ. Im Gefängnis nahm man ihm zwar alles andere ab, ließ ihm aber die Flasche.

Nur das Dazwischentreten eines ägyptischen Expeditionskorps rettete damals den trinkfreudigen General vor dem Tod. Als Kairoer Fallschirmjäger ihn aus seiner gefährlichen Lage befreiten, fanden sie in der Gefängniszelle einen volltrunkenen Mann. Der mußte erst einmal seinen Rausch ausschlafen, ehe er dann ein selbst für arabische und afrikanische Verhältnisse ungewöhnlich grausames Blutbad an seinen politischen Gegnern anrichten konnte.

In Khartum halten viele von dem „offenen Brief“ Betroffene das Rundschreiben für die Ausgeburt eines temporären Deliriums. „Der Präsident müßte erst einmal mit gutem Beispiel vorangehen“, kommentierte höhnisch ein Funktionär — und nahm einen tiefen Schluck aus der Gm-*PlascheV><<lSi.a Btausu

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