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Gadhafis neue Troika

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Nach einem Zwischenfall in der Großen Syrte versenkten US-Flugzeuge ein libysches Schnellboot: 27 Tote! Gadhafis neue Garnitur gilt als gemäßigt. Folgt nun Kurskorrektur?

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Nach einem Zwischenfall in der Großen Syrte versenkten US-Flugzeuge ein libysches Schnellboot: 27 Tote! Gadhafis neue Garnitur gilt als gemäßigt. Folgt nun Kurskorrektur?

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Im neuen Regierungsviertel der libyschen Hauptstadt findet man jetzt bei den Volkskomitees, wie die Ministerien schon seit Anwendung von Gadhafis Vision einer direkten Demokratie 1977 heißen, an der Spitze kaum noch alte Bekannte. Der langjährige „Volkssekretär“ für Außenpolitik und Baumeister von Libyens Einflechtung in Strategie und Allianzen der sowjetischen Weltrevolution, Ali Abdel Salam al-Treiki, ist in den Krankenstand und nach der Schweiz geschickt worden. Sein Nachfolger heißt Kamal Hassan al-Mansur und kommt aus der Erdölwirtschaft. Nun wäre es nicht das erste Mal, daß in Tripolis ein Austausch zwischen der durch die Eskapaden Gadhafis chronisch strapazierten Diplomatie und dem auf wenigstens leidliche Beziehungen zu den westlichen Industriestaaten angewiesenen Energieministerium stattfindet.

Schon in den siebziger Jahren war der zunächst für die Petro-Exporte zuständige Mitrevolutionär Gadhafis Ghadamsi zunächst ins Außenamt und dann auf den zeitweise durch das Nahverhältnis zwischen dem libyschen Führer und Österreichs Bruno Krei-sky wichtigen Botschafterposten in Wien versetzt worden. In der gegenwärtigen Situation nach dem amerikanischen Totalboykott für libysches Erdöl und den gesamten Handelsverkehr deuten die Berufung des „Realisten“ Mansur an die Spitze des Volkskomitees für Äußeres ebenso wie die Ernennung des früher privat erfolgreichen Geschäftsmannes Ibrahim Muhammad al-Taher Bischai zum neuen Volkssekretär für Wirtschaft und Handel eine erste Kurskorrektur in Richtung wieder besserer Beziehungen mit dem Westen an.

Der dritte neue Mann im Bunde, Informations- und Kulturminister Muhammad Ali Scharaf ed-Din mit diesem blumigen Namen „Ehre des Glaubens“, ist künftig dafür verantwortlich, daß Gadhafis für den innerlibyschen und interarabischen Gebrauch bestimmte Auslassungen und Stilblüten nicht gleich in alle Welt ausposaunt werden.

Abgesehen von diesem neuen und offenkundig gemäßigten Regierungs-Triumvirat Mansur-Bi-schai-Scharaf ed-Din ist in der libyschen Führungstroika Gadha-fi-Dschallud-Babakr Junes alles heim alten geblieben. Zu den Pflichtvisiten, die man als Berichterstatter bei jedem Libyenbesuch absolvieren muß, gehört auch heute noch die letzte Wellblechhütte der ehemaligen Slums am südlichen Stadtrand von Tripolis. Auch der alte, typisch ma-ghrebinische Stegreifdichter lebt noch, der dort über einen Lautsprecher in glatten Reimen einen euphorischen Reim auf die Errungenschaften der libyschen Revolution vom September 1969 macht.

Bei den libyschen Frauen ist die Begeisterung für den Islamreformer Gadhafi, der sie von Harem und Kopftuch befreit hat, ungebrochen. Persönlich darf sich diese Hingabe bei seinen Leibgardi-stinnen manifestieren. Ihrer Treue und Wachsamkeit hat es der exzentrische Machthaber mit dem Wahlspruch „Viel Feind -viel Ehr“ neben den Sicherheitsmaßnahmen seiner osteuropäischen Freunde zu verdanken, daß er bisher allen Anschlägen und Umsturzversuchen heil entgehen konnte.

Zum Unterschied von den beeindruckenden Fortschritten Libyens im Bildungs-, Gesund-heits- und Sozialwesen, bei Landwirtschaft und Industrialisierung, haben Gadhafis Gegner hier kein frohes Leben. Wer sich einmal gegen das Regime gestellt oder auch nur etwas Kritisches gesagt hat, dem bleibt in den meisten Fällen nur mehr ein qualvolles und meist nur kurzes Leben in einem der Straflager, für die Generalstabschef Babakr Junes neuerdings neben seiner militärischen Schlüsselrolle verantwortlich ist. Das erste solche „KZ“ war von Gadhafi schon 1972 auf der Insel Abu Farwa an der tunesischen Grenze eingerichtet worden. Nach einigen spektakulären Fluchtversuchen kamen die politischen Gefangenen jedoch ins Landesinnere. In die antiken Ruinenstädte von Leptis Magna und Sabratha in Tripolitanien sowie nach dem steinbruchartigen Kyrene im Osten des Landes.

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