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Die Trikolore im Mittelmeer

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Die Entführung von fünf Schnellbooten aus dem Hafen von Cher-bourg in der Nacht bietet den Chansonniers und Karikaturisten Anlaß, diesen kühnen Handstreich der Israeli-entsprechend, zu würzen, und genießt somit die schmunzelnde Heiterkeit des Publikums. Sehen wir von den romanhaften Umständen des Unternehmens ab, so stellen sich grundsätzliche politische Fragen. Auch die Maßregelung zweier hoher Offiziere und die Entfernung des Chefs der israelischen Einkaufskommission in Paris, Admiral Limon, unterstreichen das. Mit Recht weisen die politischen Beobachter darauf hin, daß sich die französische Diplomatie im Nahen Osten zwiespältig zeigt. Eine klare Linie wird vermißt. Die Aufregung über die Schnellbootaffäre war kaum abgeklungen, und schon wurde offiziell bekanntgegeben, daß ein Frachtschiff, vollbeladen mit französischer Munition und bestimmt für den Irak, den gleichen Hafen Cher-bourg verlassen hatte. Dazu hat die französische Regierung mehrfach betont, ihr Waffenembargo gelte nicht nur für Israel, sondern sei auf jene arabischen Staaten ausgedehnt, die sich am Sechstagekrieg beteiligten: also in erster Linie Trans Jordanien, Syrien und Ägypten.

Versöhnung mit Marokko

Bei seiner letzten Pressekonferenz Im Dezember 1969 meldete Staatschef Pompidou die Ansprüche Frankreichs im Mittelmeer an, kulturelle und wirtschaftliche, sichtlich aber auch maehtpolitische. Seit Monaten hat Außenminister Maurice Schumann hinter den Kulissen die Bindungen zu den drei nordafrikanischen Staaten fester geknüpft. Dank der Initiative Pom-pidous gelang es dem Quai d'Orsay, sogar die Beziehungen mit Marokko zu normalisieren.

Seit der rätselhaften Entführung des marokkanischen Oppositionsführers Ben Barka, der vor einigen Jahren von zwei Pariser Polizisten am hellichten Tag in der Gegend von Saint Germain entführt wurde und seitdem verschwunden blieb, waren die Kontakte zwischen Paris und Rabat unterkühlt. Da in Marokko die bedeutendste Kolonie von Franzosen in den Maghrebländern verblieben

ist und vielfältige französische Interessen auf dem Spiele standen, mußte die Freundschaft mit dem Scherifenreiche konsolidiert werden. Der marokkanische König Hassan II., immer mehr das Relief eines großen Staatsmannes in der Tradition seines Vaters, des unvergessenen Königs Mohammed V., gewinnend, ersehnte ebenfalls eine Versöhnung mit Frankreich.

Liebkind Tunesien

Das Einsickern der Sowjetunion in diese Sphäre beunruhigt weitsichtige Europäer, nordafrikanische Staatsmänner, Journalisten und Wirtschaftskapitäne. Das Herabglei-

ten Ägyptens zu einem sowjetrussischen Satelliten entspricht keineswegs dem Konzept der konservativen Könige und Emire. Als General de Gaulle den Israelis die traditionelle Freundschaft Frankreichs aufkündigte und seine proarabische Politik einleitete, konnte er mit den restaurativen Kräften des Islams rechnen oder sich mit dem arabischen Sozialismus verbünden. Staatschef de Gaulle glaubte, daß die Zukunft in einer Revolution der arabischen Völker gegen die Feudalherrschaften liege. Er hatte dem gemäßigten Führer der arabischen Staaten, dem Tunesier Bourgiba, wenig Gehör geschenkt und ihm keine Sympathien entgegengebracht. Pompidou hat diese Exklusive seines

Vorgängers nicht übernommen/Tunesien zählt heute zum liebsten Kind der französischen Mittelmeerpolitik.

Modus vivendi mit Algerien

Viel schwieriger war es, mit Algerien Verhandlungen aufzunehmen. Der Friedensvertrag von Evian 1962 hatte jeden Dialog unterbrochen. Damais mußten hunderttausende weiße Siedler, die oft durch drei Generationen in Algerien beheimatet waren, fluchtartig das Land und ihre Güter verlassen.

Nachdem Ben Bella, Held des algerischen Befreiungskampfes und Prophet einer Dritten Welt, durch den Realisten Boumedienne ersetzt wurde, unternahmen Algier und Paris diskrete Versuche, einen Modus vivendi zu finden. Dem neuen Pariser Regime gelang es, mit dieser Belastung der algerisch-französischen Beziehungen fertig zu werden. Von einer intimen Freundschaft, einer vertrauensvollen Zusammenarbeit kann aber auch jetzt nicht gesprochen werden.

Israelische gegen libysche Mirages

Pompidou bezog in diese Mittelmeerpolitik einen Staat ein, der bisher seine Diplomaten wenig interessierte. Es handelt sich um das revolutionäre Libyen, das sich zum intransigenten Verfechter sozialistischer Ideen herausmausert und die Antiisraelfront der arabischen Staaten verstärkt Nach den letzten Nachrichten schloß Frankreich mit Libyen Verhandlungen über die Lieferung modernster Panzer und Mirage-Düsenjäger ab. Nach dem kleinen arabischen Gipfeltreffen in Tripolis dürfte Libyen Truppen am der Suezfront einsetzen. Wann werden also die bewährten israelischen ' Mirage-Flugzeuge libysche Apparate gleichen Typs in diesem Sektor abschießen? Die Tatsache solcher Lieferungen wurde von offiziellen Pariser Stellen inzwischen offen zugegeben. Man gewinnt deutlich den Eindruck, daß die Behörden ihre Öffentlichkeit vor Fadts accomplis stellen wollten. Denn die Sympathien weiter Kreise Frankreichs, der Militärhierarchie und der hohen Beamten, gehören dem kleinen hebräischen Staat, der sich bisher so wacker seiner Haut zu wehren wußte.

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