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Zuwenig Zusagen?

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Die Beziehungen zwischen Ägypten und der Sowjetunion erreichten noch während der Abwesenheit von Präsident Mohammed Anwar es-Sadat in Westeuropa einen neuen überraschenden Tiefpunkt. Der seit rund zwei Jahren an der Moskwa befindliche Kairoer Botschafter Hafis Ismail kehrte völlig überraschend vorzeitig zurück an den Nil. Seine Linienmaschine landete noch vor der Rückkehr des Sonderflugzeuges Sadats aus Österreich in Kairo. Damit ist der ägyptisch-sowjetische „Honigmond“ endgültig beendet. Ein Nachfolger wurde zunächst nicht ernannt.

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Die Beziehungen zwischen Ägypten und der Sowjetunion erreichten noch während der Abwesenheit von Präsident Mohammed Anwar es-Sadat in Westeuropa einen neuen überraschenden Tiefpunkt. Der seit rund zwei Jahren an der Moskwa befindliche Kairoer Botschafter Hafis Ismail kehrte völlig überraschend vorzeitig zurück an den Nil. Seine Linienmaschine landete noch vor der Rückkehr des Sonderflugzeuges Sadats aus Österreich in Kairo. Damit ist der ägyptisch-sowjetische „Honigmond“ endgültig beendet. Ein Nachfolger wurde zunächst nicht ernannt.

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Ismail war vor der Übernahme des schwierigen Moskauer Postens als Sicherheitsexperte einer der engsten Berater Sadats und galt als eine der mächtigsten politischen Persönlichkeiten des neuen Regimes am NU. Gleichzeitig profilierte er sich jedoch als strikter Befürworter einer weiteren engeren Zusammenarbeit mit der Sowjetunion. Bei seiner Entsendung nach Moskau vor zwei Jahren war deshalb nie ganz klar, ob Sadat durch die Wahl ausgerechnet dieses als Parteigänger des Kreml geltenden Diplomaten das Ärgste verhüten und für weitere gute Beziehungen zur östlichen Führungismacht sorgen oder sich den lästig gewordenen Freund durch ein „Himmelfahrtskommando“ vom Hals schaffen wollte.

In der ägyptischen Hauptstadt bestätigte man auf Anfrage, Ismail habe selbst um die Abberufung ersucht, die das Außenministerifum anstandslos gewährt habe. Kairoer Beobachter warten jetzt mit Spannung darauf, ob der Exbotschafter aktiv wieder verwendet wird oder ob man ihn aufs Abstellgleis schiebt. Kenner der Verhältnisse sind sich jedoch darüber einig, daß Ismails Rückkehr gleichbedeutend ist mit der endgültigen Abkehr Sadats von der Politik seines Vorgängers Nasser einer unauflöslichen Bindung an den Ostblock. In Kairo erwartet man sich offenkundig nichts mehr von Moskau.

Bei allem öffentlichen Jubel über die großartigen Empfänge, die dem Ehepaar Sadat in mehreren europäischen Hauptstädten zuteil wurden, und über die erreichten wirtschaftlichen Zugeständnisse, zeigen sich Regierungsbeamte, Experten und Journalisten nun doch einigermaßen enttäuscht über den geringen Umfang der westeuropäischen Hilfsbereitschaft Sadat habe zwar viel guten Willen gezeigt bekommen, sö argumentiert man hier, man habe ihm aber allzu geringe konkrete Zusagen gemacht

Besonders fatal sei das für die militärische Situation des Nillandes. Die Verständigungspolitik Sadats lasse sich auf die Dauer nur fortsetzen, wenn sie abgesichert sei durch militärische Stärke. Durch das Ausbleiben sowjetischer Nachschub- und neuer Waffenlieferungen aus der Sowjetunion sei die 300.000-Mann-Ar-mee Ägyptens aber derzeit nicht nur nicht mehr verteidigungsbereit, sondern stehe am Rand der absoluten militärischen Bewegungsunfähigkeit. Dies sei für den Gegner geradezu die Herausforderung zur harten politischen und möglicherweise sogar mi-

litärischen Taktik. Abhilfe verspricht man sich auf diesem Sektor jedoch vom raschen Eintreffen der mit Frankreich vereinbarten Waffenlieferungen, besonders hochmoderner Flugzeuge.

Die Ägypter zeigen zwar durchaus Verständnis für die gegenwärtig beschränkten Hilfsmöglichkeiten Westeuropas. Sie weisen aber mit einigem Stolz darauf hin, daß das Nilland trotz der anhaltenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten keineswegs mehr der bankrotte Partner von einst sei. Nach der Rückgabe der seit dem Sechstagefeldzug durch Israel ausgebeuteten Rohölvorkommen auf der Sinaihalbinsel habe sich das Finanzaufkommen des Landes erheblich verstärkt

Diese Aussichten sind denn auch der Grund dafür, daß Bevölkerung und Offizierskorps trotz der augenblicklich noch schwierigen Lage aus

Überzeugung den Westkurs der Regierung billigen. Sie kritisieren aber, daß man in Europa noch immer allzu vorsichtig ist. Gleichzeitig appellieren sie an die westeuropäische Zivilwirtschaft, diese Vorsicht endlich aufzugeben und die am Nil gebotenen großartigen wirtschaftlichen Investitionschancen sofort wahrzunehmen. „Europas Sicherheit vor dem kommunistischen Appetit“, variierte am Sonntag ein hoher Beamter des Außenamtes ähnliche Äußerungen seines Staatschefs in Bonn und Paris, „wird auch am Nil verteidigt“, und „auf uns könnt ihr euch verlassen. Wir gingen immer nur mit Moskau, weil ihr uns nicht verstehen wolltet. Jetzt brauchen wir eure Hufe.“

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