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Das Wespennest

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In Ägypten beginnt der bewußte Verzicht von Präsident Sadat auf unifassende Säuberungen in Armee und Behördenapparat zu einem ernsten Problem für die Staatssicherheit zu werden. Nachdem offenkundig von Libyen aus unterstützte pro-nasseristische Kräfte bereits einen Anschlag auf das Leben des ägyptischen Staatschefs und einen Überfall auf die Kairoer Militärakademie unternommen hatten, die mehr durch den Dilettantismus der Attentäter als durch die Wachsamkeit der Sicherheitsbehörden scheiterten, kam es erneut zu einem Handgranatenanschlag in der Mittelmeerhafenstadt Alexandria, wobei neunzehn Menschen verletzt und sieben mutmaßliche Terroristen festgenommen würden. Die Vernehmung der Festgenommenen durch die Staatssicherheitsbehörden weist auf eine systematische Verschwörung zwischen ägyptischen Nasseristen und dem Libyen des Obersten Gaddafi zum Sturz Sadats hin.

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In Ägypten beginnt der bewußte Verzicht von Präsident Sadat auf unifassende Säuberungen in Armee und Behördenapparat zu einem ernsten Problem für die Staatssicherheit zu werden. Nachdem offenkundig von Libyen aus unterstützte pro-nasseristische Kräfte bereits einen Anschlag auf das Leben des ägyptischen Staatschefs und einen Überfall auf die Kairoer Militärakademie unternommen hatten, die mehr durch den Dilettantismus der Attentäter als durch die Wachsamkeit der Sicherheitsbehörden scheiterten, kam es erneut zu einem Handgranatenanschlag in der Mittelmeerhafenstadt Alexandria, wobei neunzehn Menschen verletzt und sieben mutmaßliche Terroristen festgenommen würden. Die Vernehmung der Festgenommenen durch die Staatssicherheitsbehörden weist auf eine systematische Verschwörung zwischen ägyptischen Nasseristen und dem Libyen des Obersten Gaddafi zum Sturz Sadats hin.

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Gaddafi scheint sich seit seinem Rückzug aus der aktiven Führung seines Landes vorwiegend mit Intrigen gegen die Regierung des Nachbarlandes zu beschäftigen. Seine Wühlarbeit konzentrierte sich zunächst auf die im libysch-ägyptischen Grenzgebiet lebenden Beduinenstämme. Inwieweit es ihm gelungen ist, die Stammesscheichs durch Überredung oder Bestechung auf seine Seite zu ziehen, läßt sich schwer ausmachen. Die Kairoer Behörden behaupten, er habe eine Abfuhr nach der anderen hinnehmen müssen. Wenn man aber weiß, wie wenig die nordafrikanischen Beduinen auf dem ehemaligen Schauplatz des „Afrikafeldzuges“ von Mont-gomery und Rommel sieh der Zentralgewalt am Nil verpflichtet fühlen, setzt man gewisse Zweifel in diese Version. Beduinen neigen allzuleicht dazu, ihre Loyalität demjenigen zu schenken, der sie bezahlt. Inzwischen scheint El-Gaddafi aber klargeworden zu sein, daß die Beduinen von Sollum wenig gegen den verhaßten Sadat ausrichten können. In letzter Zeit ist es ihm offenkundig gelungen, Fäden zu den mit der liberalen Entwicklung im nach-nasseristischen Ägypten unzufriedenen orthodoxen Nasseristen des Nachbarlandes zu knüpfen.

Präsident Sadat entledigte sich nach seiner Wahl zum Nachfolger des „Rais“ zwar einiger für ihn gefährlicher Spitzenpolitiker und säuberte die Führung der Geheimdienste. Blutgerichte blieben jedoch ebenso aus wie systematische Säuberungen bis zur Basis der Bürokratie, der Streitkräfte und der Geheimdienste. Sadat wollte dadurch eine nationale Versöhnung unter den verschiedenen politischen Kräften des Nillandes erleichtern.

Größeren Schaden noch fügen dem Präsidenten und der Glaubwürdigkeit seiner Liberalisierungspolitik die zahlreichen überzeugten Nasseranhänger in Verwaltung, Armee und Geheimdiensten zu. Die Zentrale der arabischen Liga in Kairo, in die viele mit Sadat nicht einverstandene ägyptische Würdenträger nach dem Tod des „Rais“ überwechselten, ist heute ein regelrechtes Anti-Sadat-Wespennest. Im Informationsministerium sitzen noch dieselben Beamten wie zu Zeiten Abdel Nassers und üben sich im passiven Widerstand gegen die ihnen widerstrebenden Ansätze zur Pressefreiheit. Einer von ihnen ist der Auslandspressesprecher Kamal Bakr, dessen Unfähigkeit nur von seiner Ignoranz und notorischen Faulheit übertroffen wird. Ähnliche dubiose „Widerstandskämpfer“ finden sich in den Auslandsbüros der Araberliga wie bei den ägyptischen Botschaften in den westlichen Hauptstädten. Sie alle warten auf ihre Stunde.

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