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Radikaler Druck

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Die Diskussion um das Los der besetzten Gebiete spaltete die Gemüter in Israel lange, bevor die.geplante Debatte um dieses Thema im israelischen Kabinett begann. Diese Debatte dauerte fürs erste zehn Stunden. Minister,. die unterwegs waren, wie Außenminister Alon, brachen ihre Reisen ab oder verschoben sie. Alle 23 Minister meldeten sich zu Wort. Ergebnis: Der Berg hat eine Maus geboren. Wieder einmal wurde beschlossen, die Entscheidung bis auf weiteres zu verschieben. Inzwischen bleibt die illegale Ansiedlung in Kadum bestehen.

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Die Diskussion um das Los der besetzten Gebiete spaltete die Gemüter in Israel lange, bevor die.geplante Debatte um dieses Thema im israelischen Kabinett begann. Diese Debatte dauerte fürs erste zehn Stunden. Minister,. die unterwegs waren, wie Außenminister Alon, brachen ihre Reisen ab oder verschoben sie. Alle 23 Minister meldeten sich zu Wort. Ergebnis: Der Berg hat eine Maus geboren. Wieder einmal wurde beschlossen, die Entscheidung bis auf weiteres zu verschieben. Inzwischen bleibt die illegale Ansiedlung in Kadum bestehen.

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Die Siedlung in Kadum soll zwar von der Regierung nicht bestätigt werden, doch wollte man den 100 bis 150 Siedlern doch wenigstens eine Alternative vorschlagen.

Vor sechs Monaten siedelten sich 150 junge Leute in der Nähe des biblischen Samaria an. Es war dies der siebente Versuch rechtsradikaler Fanatiker, sich in Samaria, der einzigen Region Westjordaniens, in der sich laut Regierungsbeschluß keine Juden ansiedeln sollen, festzusetzen. Die früheren Versuche waren durch Aktionen des Militärs vereitelt worden. In Samaria war dies dann nicht mehr so einfach. Die Neuansiedler hatten fast alle religiösen Mittelschüler und tausende Anhänger des rechtsradikalen Wahlblocks Likud auf ihrer Seite. Ein Teil dieser Sympathisanten demonstrierte in den Städten Israels und weitere Tausende gesellten sich zu den Ansiedlern. Auch Demonstrationen der verärgerten arabischen Bevölkerung änderten nichts an der Tatsache. Die Neuansiedler fanden sich schließlich nur bereit, in ein benachbartes israelisches Militärlager (Kadum) umzusiedeln. Hier befinden sie sich bis heute.

Die Regierung will ihnen eine Siedlung neben Kochav Haschar als Alternative zu Kadum vorschlagen. Dies wäre eine der nach dem Alon-Plan vorgesehenen Siedlungen in der Nähe der arabischen Stadt Ramalla.

Kurz nach dem Sechs-Tage-Krieg hatte nämlich der heutige Außenminister Igal Alon einen militärischstrategischen Ansieldungsplan unterbreitet, der besagt, daß nach Abschluß des Friedens mit den arabischen Staaten Westjordanien an die Araber zurückgegeben werden solle. Dieses Gebiet soll dann entmilitarisiert werden, doch als Sicherung will Israel längs des Jordantales und auf einigen strategisch wichtigen Bergketten landwirtschaftliche Wehrdörfer errichten. Die 15 Neuansiedlungen in Westjordanien mit insgesamt 1000 bis 2000 Einwohnern, befinden sich an solchen Punkten. Nur drei Siedlungen der rechtsradikalen Bewegung wurden, gegen den Willen der Regierung, außerhalb des vorgesehenen Gebietes errichtet. Doch bis heute handelt es sich dabei nur um Wohnlager. Diese drei Siedlungen haben keinerlei wirtschaftliche Basis. Ihre Einwohner arbeiten zum größten Teil außerhalb ihrer Wohngemeinschaft.

Als Itzhak Rabin vor mehr als zwei Jahren sein Kabinett gebildet hatte, verpflichtete er sich den Wählern gegenüber, Neuwahlen abzuhalten, sobald die Regierung darüber entscheiden müsse, ob Westjordanien an das Königreich Jordanien oder an einen palästinensischen Staat zurückzugeben sei. Derzeit finden keine Verhandlungen mit Palästinensern oder mit Jordanien über das Los dieses Gebietes statt. Viele sehen eine Diskussion über die jüdischen Ansiedlungen in Westjordanien für verfrüht an. Doch der Gush Emu-nim, die gegen jede Landrückgabe an die Araber eingestellte politische Bewegung, hat die Regierung eben vor Tatsachen gestellt. Rabin mußte reagieren.

In der Zwischenzeit wurden die Positionen der Parteien neu festgelegt. Die linkssozialistische Mapam, die zwei Minister in der Regierung stellt, forderte die Beseitigung der Kadumsiedler mit PolizeAgewalt.Teüe der Arbeiterpartei mit Justizminister Chaim Zadok und Knessetmitglied Abba Eban an der Spitze waren bereit, sich dieser Forderung anzuschließen. Eine andere Gruppe, die ehemaligen Dayananhänger mit Sicherheitsminister Shimon Peres, wollten mit einigen Einschränkungen den Gush Emunim unterstützen.

Von den drei amtierenden Ministem aus der religiös-nationalen Partei gehört nur einer dem Gush Emunim an. Doch auch seine beiden Kollegen im Kabinett unterstützen ihn. Sie drohten für den Fall, daß die Ansiedler von Kadum verjagt würden, mit einer Regierungskrise.

Die rechtsradikale Opposition drohte ihrerseits mit Demonstrationen und einem Sturm im Parlament. Es war klar, daß eine Entscheidung gegen Kadum die Rabin-Regierung zu Fall bringen konnte.

Eine Entscheidung, die keine ist, hat nun die Situation nicht geändert. Die amerikanische Regierung hat bereits angedroht, daß sie nach den Präsidentschaftswahlen den Druck auf Israel verstärken werde. Amerika ist bekanntlich gegen jede Neu-ansiedlung in Westjordanien. Auch wenn es nicht einmal 200 Juden sind, die in ganz Westjordanien leben, erregt diese Tatsache die Gemüter der Araber gerade so, als ob es zwei Millionen wären.

Israels Abhängigkeit von den USA hingegen wird immer größer. Wenn heute der Dollarzufluß aus Amerika gedrosselt wird, ist der Judenstaat bankrott.

Die 100 Ansiedler von Kadum sind jedoch keineswegs bereit, jede Alternative anzunehmen. In Wirklichkeit handelt es sich dabei um eine Prinzipiendiskussion, denn auch der Gush Emunim verfügt nur über einige 100 junger Leute, die zu mehr bereit sind als nur zu demonstrieren — nämlich bereit, sich anzusiedeln. Die Gegner der Rechtsradikalen hingegen betonen, daß es doch innerhalb Israels zu wenig Ansiedler gebe. Die Neuansiedlungen in Westjordanien würden die wenigen Kräfte nur verzetteln. So wurde also die Diskussion zwar vertagt, doch unterhalb der Oberfläche gärt es weiter.

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