6831220-1974_40_07.jpg
Digital In Arbeit

Schmollendes Jordanien

Werbung
Werbung
Werbung

Die Heftigkeit der jordanischen Reaktion auf die Palästina-Beschlüsse der Dreierkonferenz von Kairo hat in den arabischen Hauptstädten allgemein überrascht. Am Nil argumentiert man, Amman könne keine Forderungen stellen, weil es am Ramadan-Krieg vor einem Jahr überhaupt nicht teilgenommen habe. In Damaskus wird festgestellt, König Hussein könne sich seit seiner Niederlage im Juni-Feldzug von 1967 und dem blutigen „Schwarzen September’ von 1970 keine Illusion mehr über die Zukunft des arabischen Palästina machen. In Beirut meint man, die Anerkennung der „Palästinensischen Befreiungs-Organisation’ (PLO), durch Ägypten und Syrien als alleinige Vertreterin aller. Palästinenser ändere im Grunde zunächst nichts an der Tatsache, daß die Haunterstützt wurde, hat sich in den Kopf gesetzt, eine neue Hauptstadt aus der Retorte erstehen zu lassen. Die daher ins Auge gefaßte Ansiedlung heißt Madina do Böe; hier soll die „Afrikanische Partei für die Unabhängigkeit Guineas und der Kapverdischen Inseln’ vor einem Jahr die Unabhängigkeit des Landes proklamiert haben. Kenner der Szene bezeichnen alle möglichen anderen Aufgaben als wichtiger für Guinea- Bissau, aber hier wird eben das neue Selbstgefühl Regie führen.

Noch sind die Karten in Afrika nicht endgültig gemischt. Abgesehen von Rhodesien und Südafrika: Angola, der nächste Kandidat für die Unabhängigkeit, könnte sich für Lissabon und für den Schwarzen Kontinent damit insgesamt als schwerverdaulicher Brocken erweisen, streiten hier doch drei „Freiheitsbewegungen (eine davon zerfällt ihrerseits in drei Fraktionen) um die Herrschaft. Im übrigen sind die weißen „Bastionen’ dort härter beschaffen als in Mocambique. Hat Lissabon genügend langen Atem, um hier kein Chaos zu provozieren? schemitenmonarchie bei den bevorstehenden Genfer Friedensverhandlungen zumindest als Sprecherin für die in Transjordanien lebenden Palästinenser akzeptiert werden müsse.

Die Reaktion Ammans wird verständlicher, wenn tnan die offizielle Anerkennung des Alleinvertretungsanspruches der PLO als Wichtige Vorentscheidung über das künftige Schicksal der sogenannten Westbank betrachtet. Die drei Verhandlungspartner von Kairo sind sich darüber einig, daß dieses Gebiet nach einem Rückzug Israels nicht mehr zur haschemitischen Krone zurückkehren solle. Jordanien verliert dadurch sein fruchtbarstes Gebiet mit den wichtigsten landwirtschaftlichen Pröduktionszentren, Exportindu- strien, Touristenattraktionen und Städten.

Jordanienkenner sehen die Erklärung, Amman wolle notfalls jede weitere Verantwortung für die palästinische Frage ablehnen und sich aus den Genfer Friedensverhandlungen zurückziehen, vor allem auf dem Hintergrund einer schon seit längerem schwelenden Auseinandersetzung innerhalb des haschemitischen Herrscherhauses. Während König Hussein einerseits für Behutsamkeit gegenüber den Palästinä- Guerillos und anderseits für die Aufrechterhaltung der jordanischen Restitutionsansprüche für die Westbank eintrat, profilierte sich sein jüngerer Bruder, Kronprinz Hassan, in der Periode zwischen den beiden letzten arabisch-israelischen Kriegen immer deutlicher als Anhänger eines radikalen Bruches mit den Freischärlern, des Verzichtes auf den „palästinischen Klotz am jordanischen Bein’ und einer Selbstbeschränkung auf das Gebiet des ehemaligen Beduinenemirates Transjordanien. Dieser Gegensatz entlud sich zum ersten Mal im „Schwarzen September’, in dem Hassan seinen königlichen Bruder nur mit großer Mühe zur Nie- derringung des palästinischen Aufstandes und zur Konsolidierung der Monarchie bewegen konnte. Seither gibt es häufig Gerüchte über den schlechten Gesundheitszustand des Herrschers und seine mögliche Abdankung zugunsten Hassans. Dieser macht kein Hehl aus seiner Absicht, Tramsjordanien aus dem Nahostkon- flikt herauszuführen und die Regelung der Palästinafrage Palästinensern und Israelis zu überlassen. Die geschilderte Auseinandersetzung dürfte Amman in nächster Zeit zum Schauplatz schwerwiegender innerpolitischer Verwicklungen machen und Israel jenes stabilen Nachbarn berauben, dem es die Westbank am liebsten zurückgegeben hätte.

Von ägyptischer und syrischer Seite wird kein Zweifel darüber gelassen, daß Kairo und Damaskus zur Zeit keine radikalen Forderungen von seiten der Palästina-Guerillos wünschen und einen mäßigenden Einfluß auf die PLO-Führung ausüben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung