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Vernunft am Jordan

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In der jordanischen Hauptstadt Amman bestätigten, Regierungsstellen die Äußerungen König Husseins gegenüber der Pariser Zeitung „Le Monde“ über die Bereitschaft seines Landes zu Friedensverhandlungen mit Israel und zur Gründung eines autonomen oder ganz unabhängigen Staates Palästina in den heute noch israelisch besetzten Gebieten auf dem Ostufer des Jordans. Der Monarch wolle dadurch, wie man hinzufügte, die erstarrte Nahostszene in Bewegung bringen, dem anscheinend unaufhaltsam wächsenden Terror palästinensischer Guerillagruppen den Boden entziehen und den Anstoß geben für eine umfassende Vernunftregelung des Konfliktes.

Die Jordanier warten jetzt auf eine israelische Reaktion. Ihr Vorstoß beschränkt sich, gewöhnlich gut informierten Quellen zufolge, nicht auf das Interview des Königs. Dessen Vorstellungen sollen der Gegenseite auch durch westliche diplomatische Kanäle direkt zugeleitet werden. In Amman nimmt man an, das Angebot direkter Verhandlungen ohne Vorbedingungen könne in Jerusalem schwerlich ignoriert werden. Käme es zu den von Hussein gewünschten Kontakten, stünden allerdings, darüber macht man sich auch auf jordanischer Seite keine Illusionen, schwierige und langwierige Verhandlungen bevor. Während Israel auf der Unteilbarkeit des seit dem Ende des Sechstagekrieges von 1967 völlig zu ihm gehörigen Jerusalem beharrt, kann der Haschemiten-monarch unmöglich auf die Schutzherrschaft über die traditionell seinem Herrscherhaus anvertrauten heiligen Stätten des Islams dm Ostteil der Stadt verzichten. Hier liegt das eigentliche Problem etwaiger Gespräche. Uber alles andere — Grenzkorrekturen, Entmilitarisie-rung und Wehrkibbuzzim — erscheint eine Einigung nicht von vornherein als ausgeschlossen.

Für Beiruter Beobachter war der Schritt des jordanischen Königs keine Überraschung. Überrascht war man in der nahöstlichen Nachrichtenzentrale lediglich über den frühen Zeitpunkt des Verhandlungsangebotes. Erst vor vier Wochen hatte man in Amman erklärt, man schließe Verhandlungskontakte zwar nicht grundsätzlich aus, doch sei es dafür noch zu früh. Hussein ist offenkundig besorgt über den Wiederanstieg der Guerillaaktivität und fürchtet, diese werde schließlich jeden Ansatz zu einer Vernunftlösung blockieren und einen neuen heißen Krieg heraufbeschwören.

Der Schritt des Königs ist in erster Linie ein Beweis für seine gefestigte

Autorität im eigenen Land und in der arabischen Welt. In Amman ließ man keinen Zweifel darüber, daß das Verhandlungsangebot mit Saudi-Arabien abgesprochen und Ägypten vorher mitgeteilt worden sei. Etwaige Störversuche der Palä-stinaguerilleros nimmt man hier auf die leichte Schulter. In den letzten Monaten unternommene Meinungsbefragungen unter Notabein und Bevölkerung des besetzten Gebietes und der Flüchtlingslager hätten eine klare Mehrheit für die von König Hussein anvisierte Regelung erbracht. Der „schwarze Peter“ liege nun bei der Gegenseite, und Frau Golda Meir habe es in der Hand, ihre politische Karriere durch ein Friedensmodell zu krönen, das sicher von großer Anziehungskraft für die anderen arabischen Nachbarländer des jüdischen Staates sein werde. In Beirut weist man allerdings warnend darauf hin, daß die Vorschläge des Haschemitenmonarchen leicht in dem bereits beginnenden Wahlkampf für die „Knessef'-Neuwahlen im kommenden Jahr untergehen könnten und somit eine unwiederbringliche Chance vertan werde.

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