Jordanien, der Ruhepol des Nahen Ostens

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König Hussein machte aus Jordanien auch touristisch ein attraktives Land. Wird dasunter dem neuen Herrscher, Abdullah II., so bleiben?

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König Hussein machte aus Jordanien auch touristisch ein attraktives Land. Wird dasunter dem neuen Herrscher, Abdullah II., so bleiben?

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Jordanien hat so gut wie kein Öl, es ist diesbezüglich auf Importe aus den Nachbarländern angewiesen. Die Haupteinnahmequellen des Landes sind in erster Linie andere Bodenschätze, vor allem Pottasche (als Naturdünger und für chemische Zwecke), die früher am Toten Meer abgebaut wurde. Heute befindet sich der Abbau hauptsächlich entlang des "Desert-Highway" südlich von Amman. Eine Schmalspurbahn und riesige Abraumhalden weisen schon von weitem den Weg.

Nicht unbeträchtlich auf das Budget des Königreichs wirken sich die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr aus. Auf Grund seiner besonderen Lage zwischen Ägypten, Syrien, dem Heiligen Land, den arabischen Wüsten und dem Roten Meer war und ist Jordanien ein ideales Siedlungsgebiet und Durchzugsland. Schon vor Jahrtausenden siedelten sich vorchristliche Wüstenvölker hier an, zum Beispiel die aus der Bibel bekannten Moabiter oder die bekanntesten Architekten der Antike, die Nabatäer in Petra. Nach den Nabatäern kamen die Griechen, die Hellenen unter Alexander dem Großen, später die Römer, dann die Kreuzfahrer. Etwa ab dem siebenten Jahrhundert wurde das gesamte Gebiet islamisiert, wobei insbesondere unter den Omaijaden und den Fatimiden ein friedvolles Zusammenleben von Moslems, Christen und Juden erfolgte.

Gerade dieser Schmelztiegel von verschiedenen Religionen und Kulturen brachte nach den Kunstwerken der antiken Völker phantastische Schätze zustande, beginnend bei Mosaiken über Wandmalereien und Kunstgegenstände, wie man sie um diese Zeit nirgends in der Welt sonst vorfand. Die Reste dieser alten Zivilisationen und ihre Relikte sind naturgemäß sehr reizvoll für Touristen, egal welcher Glaubensrichtung. Seit kurzem scheuen sich auch die Israelis nicht, die Grenze nach Jordanien zu überschreiten und auf den biblischen Spuren zu wandeln. Das tun sie dann gemeinsam mit den Christen, die neugierig sind, wo Moses mit dem brennenden Dornbusch sprach, wo er Wasser aus dem Felsen schlug und wo er auf dem Berg Nebo stand, um den Israeliten das Gelobte Land zu zeigen. Wer gut zu Fuß ist, marschiert auch vom Wadi Araba auf den Gipfel, wo Aaron begraben liegt.

Selbstverständlich finden sich auch Touristen für die Sehenswürdigkeiten und die Geschichte unseres Jahrhunderts. Sie folgen den Spuren Lawrence von Arabiens, besichtigen das alte Fort, in dem er mit dem späteren König Feisal seinen Schlachtplan entwarf, klettern durch enge Schluchten im Wadi Rum, wo Lawrence die Pferde der aufständischen Araber versteckte und bestaunen den Gebirgskamm, die "Säulen der Weisheit", die nach Lawrences Schriften benannt wurden und wo in den siebziger Jahren das bekannte Filmepos mit Peter O'Toole gedreht wurde.

Natürlich taucht unter den Touristen immer wieder die Frage auf, wie geht es in der Zukunft weiter? Werden sie auch noch morgen ihre Sightseeingtouren bei angenehmen Temperaturen und blauem Himmel unternehmen, am Toten Meer kuren und mit einem Badeurlaub in Akaba am Roten Meer gegenüber Eilat, der israelischen Schwesterstadt, ihren Urlaub abschließen können?

Hohes Preisniveau Die Furche befragte dazu Einwohner Jordaniens aus allen Gesellschaftsschichten, Männer und Frauen: "Wie sieht die Zukunft aus?" Der Kurs des verstorbenen Königs wird weiter eingehalten, der vormalige Kronprinz Hassan hat dem nunmehrigen König Abdullah II. schriftlich seine Loyalität und Mitarbeit zugesagt. Er hat auch zur Kenntnis genommen, daß Hamseh (der älteste Sohn aus der Ehe Husseins mit Königin Nur), der neue Kronprinz, allen anderen Kindern des verstorbenen Monarchen vorgeht. Hassan mußte auch zur Kenntnis nehmen, daß seine eigenen Kinder nicht mehr zum Zug kommen werden. Die Gespräche endeten alle mit der Feststellung, daß durch den Tod Husseins am 7. Februar 1999 jedenfalls in Jordanien ein Vakuum entstanden ist, das der neue König erst mühsam wieder auffüllen wird müssen. Am wenigsten Sorgen über die Zukunft machen sich erwartungsgemäß die "kleinen Leute": Alya, Verkäuferin in einem Souvenirgeschäft bei der King Abdullah Moschee in Amman: "Es wird alles beim alten bleiben, der Friede mit Israel ist gut verankert und unsere Nachbarstaaten, vor allem der Irak, brauchen einen Partner, der keine Probleme mit den Vereinigten Staaten von Amerika oder anderen Ländern des Westens hat." Ihre Kollegin Fawzia, ehemaliger Flüchtling aus Palästina, sieht es ein bißchen anders: "Abdullah hat das Militär hinter sich, daher hat sein Onkel Hassan, der ehemalige Kronprinz, schon deshalb keine reelle Chance auf eine Machtergreifung. Ich hoffe, daß es unter Abdullah für uns Palästinenser nicht schlechter wird, schließlich hat er ja selber eine Palästinenserin als Frau."

Wer es sich nur halbwegs leisten kann, betreibt in einer der Städte des Viermillionenlandes ein Handelsgewerbe, eine Reparaturwerkstätte oder einen Dienstleistungsbetrieb. In diesem Bereich wird am meisten verdient. Bis zu 3.000 Schilling monatlich und mehr. Das ist selbst für Jordanier nicht viel, denn das Leben hier ist teuer und das Preisniveau sehr hoch. Selbstverständlich gibt es einige wenige tausend - sie wohnen meist in Traumvillen in den teuersten Vierteln Ammans - die zumindest das Hundertfache verdienen. Natürlich ist es auch für den Touristen aus dem Westen teuer, der in Jordanien ebenfalls seinen gewohnten Komfort, gutes Essen und gutes Trinken, nicht missen möchte. Zum "Komfort" gehört naturgemäß für die Touristen aus Europa und den Vereinigten Staaten, daß sie zumindest einmal am Tag eine kleine Menge Alkohol zu sich nehmen. Aus diesem Grunde wurde beispielsweise in Amman eine Brauerei gebaut, deren Produkte nicht nur von den Touristen konsumiert werden. Diesen Luxus muß man allerdings relativ hoch bezahlen, kostet doch ein Bier immerhin zwischen 50 und 60 Schilling.

Jeder versucht, für sich das Richtige zu finden und zu tun. Ob dies auch in Zukunft gelingen wird, muß sich erst zeigen.

Die Geschichte des Landes Das Haschemiten-Königreich Jordanien Der Staat Jordanien ist relativ jung. Im Jahre 1950 bestieg Abdullah I. den Thron des neugegründeten haschemitischen Königreichs Jordanien. Während des Ersten Weltkriegs noch Teil des Osmanischen Reiches, verbündeten sich die Jordanier und Syrer mit anderen Arabern unter Mithilfe des Engländers T. E. Lawrence, dem später berühmt gewordenen "Lawrence von Arabien", gegen die Türken.

Gemeinsam trieb man die Osmanen aus den angestammten arabischen Siedlungsgebieten - allerdings ein Pyrrhussieg, denn in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts geriet ganz Arabien unter die militärische und politische Hoheit von Franzosen und Engländern. 1946 legten die Briten ihr Mandat zurück und das heutige Jordanien wurde unabhängig. In der Folge wurde der Staat Israel gegründet, darauf flohen im Jahr 1948 600.000 Palästinenser ins Jordanland, um ab 1950 Staatsbürger des Königreiches Jordanien zu werden. Bis zum heutigen Tag hat sich die Zahl der Flüchtlinge nach den Nahostkriegen und dem Irak-Konflikt noch weiter erhöht: Von den rund 4,000.000 Einwohnern sind ungefähr die Hälfte Palästinenser, dazu kommen noch Einwanderer aus Syrien, dem Irak und aus Saudi-Arabien. 90 Prozent der Bevölkerung sind Moslems, ca. fünf Prozent orthodoxe Christen, die vor allem in den Städten leben.

Die ursprünglichen Bewohner der arabischen Halbinsel, die Beduinen, die wir noch aus den Reiseerzählungen Karl Mays kennen, sind in den letzten Jahren zum Großteil durch die Initiative König Husseins seßhaft geworden. Zu diesem Zweck wurden eigene Beduinendörfer gegründet. Rund 40.000 von ihnen leben allerdings noch immer als Nomaden in den großen Wüsten an der Grenze zum Irak oder Saudi-Arabien.

Peter Soukup

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