6703521-1963_41_16.jpg
Digital In Arbeit

Im heiligen Land Jordanien

Werbung
Werbung
Werbung

„JORDANIEN: DAS HEILIGE LAND“ — „Führer durch Jordanien, das Heilige Land“ -- „Führer durch das Heilige Land Jordanien“: diese dreifach benannte Schrift überreicht einem das „Jordan Tourist Department“ nach Erhalt eines Visums ins haschemitische Königreich Jordanien. In der darin vermittelten Beschreibung des Landes heißt es unter anderem: „Es umschließt… innerhalb seiner Grenzen die heiligsten Stätten des Christentums: Bethlehem … Jericho … Hebron … den Jordan … den Ölberg, Gethsemane und die alte mauernumgebene Stadt Jerusalem, die heiligste Stadt des Christentums.“

Man denkt an Israel und Palästina und muß freilich nach Jordanien reisen. Die Tragik der Stätte des Christentums: während die Pilger des vergangenen Jahrhunderts noch zusehen mußten, wie die muselmanischen Türken mitunter ' die verschiedenen Konfessionen in und um Jerusalem gegeneinander zu beschwichtigen hatten, ist heute die Situation so, daß sich Araber und Juden die Herrschaft der für die Christen heiligen Stätten teilen.

EIN BINNENSTAAT ist Jordanien, den Golf von Akaba, einen nördlichen Ausläufer des Roten Meeres, benutzen Jordanien, Israel und Ägypten „gemeinsam“!'Wenn man nach Jordanien einreist, gibt es nur die Flug- und dann allenfalls noch die Landverbindung per Taxameter via Beirut.

Jordanien besitzt drei Flughäfen, von denen nur Jerusalem und Amman Bedeutung haben. Wir wagten es von Kairo aus mit der Misr Air, die dann wenige Tage nach unserer Rückkehr infolge politischer Spannungen zwischen den beiden Ländern ihre tagtäglichen Flüge einstellte. Unsere Maschine startete auf dem eben einge- weihten, fast unabsehbar großzügig angelegten Kairoer New Airport. Zweieinhalbstündiger Flug über den Golf von Suez und den Hafen von Akaba mit Überquerung der Sinai-Halbinsel. Flughöhe 2000 Meter, aus der man die gebirgigen Wüsteneien wie ein ausgetrocknetes Meer der eine Reliefkarte empfindet. Der provinziell anmutende Jerusalemer Flugplatz befindet sich zehn Kilometer vor der Stadt, in die man mit von den Hotels bereitgestellten Taxametern kommt. Wer kein Hotel nennen kann, erhält eine Liste zur Auswahl, erst dann ist er transportfähig!

Wir wählten ein Hotel über dem Cedronstal, ein ehemaliges Kloster, das noch um die Jahrhundertwende der Ausbildung des französischen Priesternachwuchses gedient hatte.

Vom Hotel aus hatte man einen umfassenden Blick auf das jenseits des Cedrontales seine Silhouette breitende Jerusalem. Zu unserer Rechten, für uns nur aus schmalem Blickwinkel heraus sichtbar, der Ölberg mit dem Gethsemane, vor uns die Altstadt mit der mächtigen Stadtmauer und den teils vermauerten alten Toren, die nächstliegende Unterstadt vom gravitätischen Felsendom Al-Haram Esch Scharif überragt, indes die Kuppeln der Grabeskirche im rechten Blickfeld nur spärlich im Stein- und Häusermeer auftauchten.

DAS JORDANISCHE JERUSALEM lebt fast ausschließlich vom Fremdenverkehr. Schon die Währungsverhältnisse (ein jordanischer Dinar mit der Kaufkraft von zirka 50 Schilling hat eine Parität von nahezu drei US- Dollar!) besagen da einiges. Da es weder ein Eisenbahnnetz noch ein den touristischen Ansprüchen angemessenes Omnibusnetz gibt, man überdies den eigenen Wagen kaum ins Land mitnehmen kann, ist man ganz und gar — insbesondere als Einzelreisender — den Mietwagen ausgesetzt. Diese werden in der Regel von den Hoteliers gehalten und samt Fahrer und Führer stundenöder auch tageweise vermietet. Dabei handelt es sich freilich um sehr große, gepflegte und auch neue Wagen. Deutsch sprechende Führer gibt es nur wenige, wer englisch und französisch spricht, kann dafür Fremdenführer in jeder Zahl für sich buchen.

Vorzüglich sind die Hauptstraßen des Landes ausgebaut, erst in jüngster Zeit mit amerikanischem Kapital, entsprechenden Ingenieuren und Maschinen.

Die alte Oase Jericho, mehrere hundert Meter unter dem Meeresspiegel gelegen, hat ihren Kernpunkt in teilweise schon ausgegrabenen Resten aus dem Neolithikum (mit 6000 bis 7000 Jahren wohl die älteste befestigte Stadtanlage der Erde). Am Oasenrand auf zwei Quadratkilometern an die 70.000 Araber aus dem israelisch besetzten Landesteil: Elendsquartiere und Trostlosigkeit ohnegleichen.

Die herrlich duftende Oasenstadt selbst, etwa zwei Kilometer südlich von Jericho, wo noch heute der Brunnen des Propheten Elias quillt. Westlich der Berg der Versuchung mit athosähn- lichem Klostergehänge, und in östlicher Richtung, zum Jordanufer, etwa an der Stelle, wo man sich die Taufe Jesu durch Johannes zu denken hat, fließen in heftiger Strömung die schmutziggelben Wassermassen dem Toten Meer zu, die Flußufer kärglich von einzelnen Bäumen und weidenartigen Sträuchern gesäumt.

Das Tote Meer ist wirklich tot: keine Fische und keine Vögel. Bethlehem kann man infolge der diffizilen Grenzziehung zwischen Jordanien und Israel nur auf einer LImwegroute des drei- bis vierfachen Weges erreichen, teilweise entlang dem Niemandslandstreifen, vereinzelt Militär, Postenketten, Nachschubfahrzeuge, nachts Blinklichter und Scheinwerfer, mittendrin ein jahrhundertealtes Kloster, das von Militärpösten besetzt ist, schließlich am Feld der Hirten vorüber zur Geburtskirche. Die Fremdenführer an diesen heiligen Orten sind meist koptische Christen, neben Angehörigen der armenischen Kirchen.

DIE JERUSALEMER „HÖHEPUNKTE“ bilden noch immer das Begehen der Via dolorosa und der Besuch der Grabeskirche. Ehrwürdiges vermengt sich mit Profanem. Das Handeln und Feilschen mag vor bald zwei Jahrtausenden kaum anders gewesen sein.

Die Grabeskirche selbst eine verwirrende Fülle von Erinnerungsstätten, nicht minder auch von Besuchern, Gottesdiensten.

Ironie des Schicksals, daß sich selbst die Klagemauer im jordanischen Teil des Landes befindet. Spöttisch weisen die Fremdenführer darauf hin; so etwa mit der stehenden Redewendung, der- zufolge die Juden dort mit ihrer Okkupation begonnen haben, wo das Land anfängt, fruchtbar zu werden. Die andere These, nämlich die von jüdischer Seite, besagt, daß die Fruchtbarkeit eben dort exakt aufhöre, wo man das Land nicht mehr bewässere und kultiviere…

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung