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Jordaniens Wüstenwunder Die rosenrote Stadt

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Der Sechstagekrieg im Juni 1967 hat das Königreich Jordanien am härtesten getroffen. Es verlor an Israel nicht nur zwei Drittel des bebaubaren Bodens, sondern auch die einträglichsten Stätten des Tourismus - Jerusalem, Bethlehem und Jericho. In der jordanischen Hauptstadt Amman sieht man nach wie vor Fremdenverkehrsplakate mit dem Jerusalemer Felsendom und der Geburtskirche Bethlehems, doch blieb nur Petra, die „rosenrote Stadt in der Wüste“, als eigentliche Sehenswürdigkeit des Haschemitischen Königreiches.

Petra ist ein archäologisches und landschaftliches Weltwunder. Erstl812 wurde es von dem Schweizer Forscher Burckhardt zufällig wiederentdeckt. Fünfhundert Jahre lang war Petra in Vergessenheit geraten. Hinweise von Kreuzrittern sind aus dem 12. Jahrhundert überliefert. Aus der Bibel wußte man, daß die verschollene Stadt derEdomiter irgendwo in Arabien lag.

Man wußte außerdem, daß die Edomi-ter im 6. Jahrhundert vor Christus von den Nabatäern verdrängt wurden. Das Wort Petra stammt von den Griechen und bedeutet Fels. Für die antiken Völker war Petra eine natürliche Festung mit bequemen Wohnhöhlen, eine gut geschützte Stadt inmitten eines grandiosen Gebirgskessels. Man ist überrascht und überwältigt, wenn man dieses Wü-stenwunder nach stundenlanger Reise plötzlich vor sich sieht. Von Amman führt eine 240 Kilometer lange Asphaltstraße nach Ma'an. Ein Dieseltaxi bewältigt diese Strecke in drei Stunden.

Man folgt der legendären Hed-schas-Bahn, die weniger durch ihre sandüberwehten Schmalspurgeleise als durch die endlose Reihe ihrer Tele-graphenmaste ins Auge fällt. Kamele trotten am Straßenrand entlang, manchmal begegnet man einem alten Autobus.

In Ma'an hat die jordanische Regierung eine moderne Raststätte eingerichtet. Von hier aus führt die Hauptstraße weiter in das bizarre Mondtal des Wadi Rum und zum Golf von Aqa-ba. Petra liegt an einer Nebenstraße, 40 Kilometer westlich von Ma'an. Aus der unwirtlichen Wüstengegend kommt man in eine romantische Felsenwelt. Szenen des Films „Lawrence of Ara-bia“ wurden hier gedreht. Die Fahrt endet vor dem neuerbauten Gästehaus. Man wird von Souvenirverkäufern und Pferdehaltern bedrängt. Von Petra noch keine Spur.

Durch ein steiniges Flußbett nähert man sich dem unauffälligen Spalt einer hochaufragenden Felswand. Alle Wege nach Petra führen durch diesen engen, gewundenen Felsencanyon.Äus flimmerndem Sonnenlicht taucht man in dämmrige Kühle. In den steilen Felswänden nisten Geier. Wenn bei den seltenen, doch ungemein heftigen Regengüssen das Wasser von den kahlen Wüstenbergen strömt, kann der Ca-nyon zu einer Falle werden. 26 französische Touristen sind vor einigen Jahren in Petra ertrunken. Deutlich weisen die glattgespülten Wände des Canyons auf die Kraft der Wassermassen hin.

Die Schlucht ist etwa einen Kilometer lang. Hinter der letzten Windung erlebt man die große Überraschung, wenn man sich unversehens einem rosenroten, edelgeformten Felsentempel gegenübersieht. Es ist das berühmte „Schatzhaus“, ein aus dem Felsen gehauenes Säulenbauwerk mit reichgeschmückten Giebeln und Nischen. Auf dieses Wunder blickten unzählige Karawanen, die von Arabien zum Mittelmeer zogen. Die handelstüchtigen Na-batäer gewährten ihnen Schutz, erhoben Wegegelder und machten Petra zu einem wohlgesicherten Warenlager. Die Schätze häuften sich, ein großer Teil wurde zum Bau prächtiger Tempel, Paläste und Grabmäler verwendet.

Hinter dem Schatzhaus öffnet sich der weite Bergkessel. Der Blick schweift zu den Säulengalerien der aus dem roten Sandstein gemeißelten Monumentalfassaden, zu Felsengräbern, Thermen und Zisternen und zu einem Amphitheater. Dahinter das zerklüftete Felsengebirge in roten und violetten Farbtönen, von rokokohafter Anmut bei Tageslicht, drohend am Abend. Felstreppen führen zu einsamen edomi-tischen Opferstätten. Erstaunliche Bauwerke haben auch die Römer hinterlassen; sie schufen die freistehenden Gebäude der Stadt, vor allem das marmorgepflasterte Forum mit Kolonnaden, Kaufläden und Palästen.

Um 100 nach Christus waren die Na-batäerkönige immer mehr in die Abhängigkeit Roms geraten. Die Blütezeit Petras ging zu Ende, als der Warenverkehr zwischen Arabien und dem Westen über Palmyra, die Oasenstadt in der Syrischen Wüste, geleitet wurde. Auch die Ruinen Palmyras bewahren die Erinnerung an eine kurze, glanzvolle Epoche, an arabische Wüstenvölker und römische Kriegszüge. Wo einst hohe Kulturen blühten, grasen jetzt die schwarzen Ziegen der Beduinen. Gräber und Tempel wurden im Laufe der Zeit geplündert, jahrhundertelang waren Petra und Palmyra dem Van-dalismus durchziehender Stämme und dem Zerstörungswerk der Natur ausgesetzt. Was übrigblieb, mutet immer noch wie ein Wunder inmitten der Wüste an.

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