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Haß als einigendes Band
All dem stand die neue Einwanderung als eine geschlossene und auf einer den Arabern nahezu unverständlichen Gedankenwelt und organisatorischen Formen fußenden Gesellschaft gegenüber. Die jüdische Einwanderung schuf sich modernste Genossenschaften und in den Kibbuzim eine freiwillige Siedlungsund Lebensform, wie es sie bis dahin nur in den kühnsten kommunistischen Zukunftsträumen gegeben hatte, mit völliger Gleichstellung aller Mitglieder, die Frauen inbe- griffert. Just von den Kibbuzim und ihrer streng eingehaltenen Selbstarbeit jedoch waren die um ihre
Pachtböden gekommenen Fellachen von Beschäftigung ausgeschlossen. Um die „Eroberung der Arbeit“ in den privatwirtschaftlichen jüdischen Siedlungen aber führten die Gewerkschaften einen schweren Kampf gegen die Araber, da sie nicht nur als Vertreter der gewerkschaftlichen Interessen der jüdischen Arbeiter, sondern gleichzeitig auch als Exponenten der zionistischen Ziele agierten. All das bildete den Nährboden arabischer Feindseligkeit, die des weiteren vom arabischen politischen Klerus geschürt und ausgebeutet wurde. So war es auch der Großmufti von
Jerusalem, der zum ersten antijudaistischen Führer des palästinensischen Arabertums wurde und während des zweiten Weltkrieges mit Hitler-Deutschland sowohl gegen die Juden als auch gegen die Briten bis zum „bitteren Ende“ zusammenarbeitete.
Als sich die bisher als Enklave im vom britischen Mandat verwalteten Palästina eingeschränkte zionistische Siedlerwelt als Staat etablierte, mit den modernsten sozialen und politischen Einrichtungen, mit einem demokratisch-parlamentarischen Vielparteiensystem und einer vorwiegend sozialdemokratischen Regierung, konnte das gar nicht anders als ungut von den arabischen Nationalstaaten empfunden werden. Selbst wenn sie es anders gewollt hätten — was kaum der Fall war — hätten sie, infolge der politischen und kulturellen Rückständigkeit ihrer Länder, diese nicht anders als mit despotischen Mitteln und Formen regieren können. Somit mußten sie den israelischen Staat nahezu zwangsmäßig als einen ihre eigene innerstaatliche und nationale Entwicklung störenden Rivalen und Fremdkörper empfinden. Dies ist vor allem gemeint, dieser enorme politische und soziale Vorsprung Israels gegenüber den arabischen Staaten, wenn deren Führer den jüdischen Sozialstaat
„imperialistisch“ nennen. Sie wissen ansonsten nur zu gut, daß Israel mit seinen zwei Millionen Bürgern niemals das rund 80 Millionen zählende Arabertum bedrohen könnte; nicht einmal, wenn die übrigen sieben Millionen Juden auf der Welt gleichfalls nach Israel kommen würden — was kaum anzunehmen ist. Mehr noch, Israel hat sich schon wiederholt bereit erklärt, den arabischen Vettern jenen wirtschaftlichen und kulturellen Abstand abkürzen zu helfen. Die arabischen Führer haben jedoch strikt und starr jede Zusammenarbeit mit Israel abgelehnt, weil das dessen politische Anerkennung beinhalten würde. Einer Zusammenarbeit und Einigung mit den Israelis steht aber auch der ständige Kampf um die Führung im Arabertum selbst entgegen. In diesem Kampf glaubt sich jener die beste Legitimation als Führer aller Araber zu verschaffen, der sich als größter Feind der Juden zeigt. Groteskerweise bemühen sich nunmehi' sogar die Regierenden von Tunis, Marokko und Algerien — Länder, die weiß Gott weit genug von Israel entfernt sind — dieses als einen „gegen die arabische Welt gerichteten Dolch“, wie es Burgiba auf der Belgrader Konferenz nannte, zu verteufeln. So ist die Feindschaft gegen Israel nach dem Motto, daß es leichter ist, ein Volk gegen etwas, als für etwas in Bewegung zu.bringen — heute bedauerlicherweise weit mehr das Leitbild des Panarabismus als dessen so großartige kulturelle und religiöse Errungenschaften.
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