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Das große Aufgebot von Alexandrien

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Glauben die arabischen Regierenden sich durch unversöhnliche Feindschaft gegen Israel legitimieren zu müssen, so versuchen die kommunistischen Staaten — wie das Auftreten Chruschtschows unlängst in Ägypten bewies — ihren Einfluß im Mittleren Osten zu verstärken, wenn sie die Araber in dieser Feindschaft ermutigen, wie dies schon einmal die britische Außenpolitik unter Bevin mit so unglücklichem Ausgang für die Briten getan hat.

All das ist, wie sich nun nach der jüngst abgehaltenen Gipfelkonferenz der arabischen Staatsführer in Alexandrien gezeigt hat, ein höchst gefährliches Tun — und zwar nicht nur für Israel und den übrigen Mittleren Osten, sondern für die ganze Welt. Auf jener Zusammenkunft geschah nicht mehr und nicht weniger, als daß dort die Führer der 13 arabischen Länder in aller Öffentlichkeit und feierlichst „die Befreiung Palästinas vom zionistischen Imperialismus“ sowie die Ausarbeitung eines gemeinsamen politischen und militärischen Planes zu diesem Ziel beschlossen haben.

Des weiteren wurde dort ein Generalstab eingesetzt, dem ein Betrag von eineinhalb Milliarden Schilling zur Verfügung gestellt wurde; es wurde die Ausdehnung der einzelarabischen Armeen sowie die Neugründung einer speziellen „Palästinensischen Befreiungsarmee“ beschlossen, der ein Betrag von 385 Millionen Schilling im Jahr zugewiesen wurde.

Was uns jedoch am meisten erschrecken läßt, ist nicht nur, daß dort 13 Mitgliedstaaten der UNO — alle natürlich zur Wahrung des Friedens verpflichtet, und noch mehr gegenüber einem durch UNO-Be- schluß geschaffenen Staat — öffentlich die Vernichtung eines vierzehnten UNO-Staates beschlossen haben. Viel ärger ist, daß dies bisher von der Weltöffentlichkeit als Selbstverständlichkeit hingenommen wurde. Eine österreichische Zeitung schrieb in ihrem Bericht über die prabiScHä“’ r':Gibfdlkönfefenz'' unter' anderem:

„Die- Kehlige tüfd Präsidenten rangen miteinander, unter welchen Umständen welche Sorte von Befehlsgewalt der Oberkommandierende der Vereinigten Arabischen Armeen erhalten soll… Da es in Alexandrien bei der Beratung der Macht des Oberkommandierenden um recht fundamentale Fragen ging, die jeden arabischen König und Präsidenten persönlich betreffen, mußten die anderen Probleme weit zurückstehen. Die Frage, wie aus Israel wieder Palästina, also ein arabisches Land werden kann, soll mit der Proklamierung der .Palästinensischen Einheit“ und mit der Bildung eines Befreiungskomitees zu lösen begonnen werden … Die Aufstellung einer palästinensischen Armee, möchte man hier einfügen, ist ein weites Feld…“

Wo haben wir das nur schon gehört, das mit dem „weiten Feld“, jene gleichgültige Detachiertheit, aus der nachher, wenn es so weit war, panische Betroffenheit und Jahrzehnte später die fassungslose Frage: „Wie konnte es nur dazu kommen?“ erwuchs?

Wozu haben wir Nürnberg und Kriegsverbrecherprozesse gehabt, wenn Regierende wieder darüber beraten dürfen, wie sie der Möglichkeit, ein anderes Volk zu vernichten, „näherkommen“ können? Und wenn der sie besuchende Vertreter einer Großmacht, der den „Friedenskampf“ ansonsten so gern im Munde führt, sie noch ein Stückchen „näher“ heranführt, indem er selber jenes Volk als „imperialistisch“ abstempelt und mit schelmischem Humor den Militärs, „die ja nie genug Waffen bekommen können“, dieselben in reichlichem Maße zusagt, damit jenen Imperialisten aus den Kibbuzim, die nicht einmal Wert auf Privatbesitz an einem Wäschstück legen, das Lebenslicht ausgeblasen werde?

Ein Kanon statt Kanonen

Unsere Welt ist seit 1914 um einiges weitergekommen. So hat sie seither das nationale Selbstbestimmungsrecht für alle Völker aufgerichtet. Sie hat sich jedoch noch nicht fähig erwiesen, einen gemeinsamen Standard zuallererst friedlichen Verhaltens derjenigen, die sich national „selbst bestimmt“ haben, durchzusetzen. Wie es derzeit zugeht, gleichen die Vereinten Nationen jener Schar komischer Polizisten aus den alten MacSenett- Lustspielen, die auf ewiger Verfolgungsjagd. aber immer zu spät, irgendwelchen Missetätern nachlaufen und dabei durcheinanderpurzeln. Und der grimmigen Komik ist kein Ende, wenn dieselben, die eben erst die Existenzberechtigung erlangten, sie nun ihrerseits anderen, kleineren, vorenthalten. Indonesien, mit seinen 103 Millionen Untertanen verweigert zehn Millionen Malayen das Recht auf einen eigenen Staat und schickt ihnen deshalb Fallschirmspringer oder „Freiwillige“ auf den Hals. Da sind weiters die griechischen Zyprioten, die zuerst selber den Briten Selbstverwaltung abgetrotzt haben und nun als Dreiviertelmajorität der türkischen Minderheit nicht nur die nationale, sondern geradezu die physische

Existenz nehmen wollen, indem Sie . ihnen das Trinkwasser absperren.

Nein, so sehr man dafür zu seih hat, daß wir mit allen Völkern normale Beziehungen aufrechterhalten und gute Geschäfte machen, so soll man dennoch dagegen sein, daß jemand, der einem anderen Volk’ das Recht zu existieren verweigert, bei uns „gern gesehen“ ist. Und man sollte zu Staaten, die die Ausrottung eines geplagten Volkes planen oder ermutigen, keine anderen als gerade noch korrekte Beziehungen haben. Wir laden uns ja auch nicht Leute, die soldhes individuell an Einzelpersonen zu planen gewohnt sind, nach Hause ein, noch statten wir ihnen Freundschaftsbesuche ab. Und wir halten das so nicht aus Snobismus, sondern aus einem gewissen Selbstrespekt, und das ist zuletzt so etwas wie Selbstschutz. Vielleicht ließen sich doch nun endlich solche Kanons des Verhaltens auch auf überstaatlicher Grundlage erreichen. Und das würde ganz gewiß ebenfalls unser aller Sicherheit zugutekommen.

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