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1200 Christen umgebracht
In New York wurde vor mehreren Monaten ein Baseballspieler zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er unbeabsichtigt einen Vogel totgeschlagen hatte. Im Libanon wurden in den letzten Monaten 1200 Christen aus der Zivilbevölkerung — Frauen, Kinder, Alte — massakriert. Ohne Strafe.
Mit Augen, die sich daran skan- dalisieren, sehen die Situation Menschen, die nicht nur von Journalistenschreibtischen aus urteilen, sondern mit der leidenschaftlichen Betroffenheit jenes Drei- Millionen-Volkes, das in elf christliche und sechs nichtchristliche (vor allem muslimische) Konfessionen zerfällt.
Antoine Gemayel, katholischer Priester, Generalsekretär der libanesischen Bischofskommission für Massenkommunikation und Cousin des Staatspräsidenten Amin Gemayel, sprach darüber mit Teilnehmern am Dubliner Kongreß der Katholischen Weltunion der Presse (vgl. S. 13).
An seiner Seite argumentierte auch Maurice Abou-Jaoude, Leiter des Katholischen Informati onszentrums in Jall-Eddib bei Beirut. Was beide erhoffen: „eine Richtigstellung verzerrter Berichte in westlichen Medien.“ Hier ihre Argumentation:
Im Libanon gibt es nicht einen Bürgerkrieg, sondern einen regelrechten Krieg ausländischer Intervenienten auf dem Rücken des libanesischen Volkes.
An die 250.000 Flüchtlinge aus dem ehemaligen Palästina kamen nach Gründung des Staates Israel 1948 nach Libanon, noch einmal so viele nach Vertreibung der Palästinenser aus Jordanien 1970.
Teile der arabischen Bevölkerung witterten eine Chance, mit Hilfe der zu 95 Prozent muslimischen Palästinenser (Sunniten) das leichte Übergewicht der Christen (rund 55 Prozent) zu ihren Gunsten ändern zu können.
Die Christen rochen die Gefahr und lehnten einen Palästinenserstaat auf libanesischem Boden ab. 1975 begannen die bewaffneten
Auseinandersetzungen mit der von Syrien, Libyen, der UdSSR und später auch Chomeinis Iran unterstützten PLO. 1976 entsandte die Arabische Liga auf einen Hilferuf der libanesischen Regierung hin „Abschreckungsstreitkräfte“ ins Land; jene aus Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Kuweit zogen sich bald wieder zurück, die aus Syrien blieben.
Nach Darstellung Abou-Jaou- des merkten immer mehr muslimische Libanesen, daß sie von PLO und Syrien mißbraucht wurden und unterstützten in der Folge die von Christen geführte Regierung des Libanon. Als 1982 Israel einfiel, hofften viele Christen — wenn schon, denn schon - auf eine Vertreibung der PLO und der Syrer.
Das eine gelang teilweise, das andere gar nicht. Den Israelis wird vorgeworfen, durch einen überstürzten Abzug ein Vakuum geschaffen zu haben, in das vor dem Einrücken libanesischer Regierungsstreitkräfte die Drusen strömten, hinter denen „Syrien und dessen Söldner aus Libyen, Pakistan und Iran stehen“.
Genauer: „Nur ein Teil der Drusen, die ihrerseits nur drei Prozent der Bevölkerung ausmachen“, habe an dem folgenden Blutbad in den Schufbergen, in Metn und in den südlichen Vorstädten von Beirut mitgewirkt. Die Bilanz: rund 100 verwüstete Dörfer, 17.200 zerstörte Häuser, 185.000 Flüchtlinge, 1220 Tote und Vermißte (darunter fünf katholische Priester und zwei Nonnen), 85 zerstörte Kirchen und Klöster.
„Warum aber hegen die Drusen einen solchen Haß auf die Christen?“ wollte die FURCHE wissen. „Der Fanatismus liegt ihnen im Blut.“ Daß auch gewissen Christen ein solches Element ins Blut geraten sein muß, haben freilich die Massaker in den PLO-La-gern Sabra und Schatilla gezeigt, wo gegen 800 Personen niedergemetzelt wurden.
Der Vorwurf, es habe sich bei den nie eindeutig identifizierten Massenmördern um christliche Falangisten gehandelt, wird von Gemayel und Abou-Jaoude freilich israelischen Quellen zugeschrieben, während die Palästinenser dies nie behauptet hätten.
Und warum sollte Israel die Drusen und damit die Syrer ursprünglich sogar ermutigt und mit erbeuteten PLO-Waffen versorgt haben? „Weil Israel an einer Kantonisierung des Libanon durch ein Gegeneinander-Aus- spielen verfeindeter Gruppen interessiert ist.“
Die Wurzeln dieser Feindschaft sitzen tief. Die Christen haben eine nicht nur subjektiv glaubhafte, sondern wohl auch objektiv begründete Angst vor einer Machtübernahme durch fanatische Muslime. Sie bangen um Leben, Freiheit und Eigentum. Sie erwarten sich wenig von der Nationalen Versöhnungskonferenz in Genf und viel von einer Stärkung ihrer Streitmacht, die „Monat für Monat wächst“. Wie die apokalyptische Katastrophe, die sich über diesem armen Volk entlädt.
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