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Auf der Suche nach einer neuen Libanon-Ordnung

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Die neue israelische Verteidigungslinie längs des Awali-Flusses, die nach dem Teilrückzug der israelischen Streitkräfte aus dem Libanon im Süden errichtet wurde, war in der Annahme errichtet worden, daß sich Israel hier noch viele Monate, wenn nicht Jahre, festsetzen muß. Aus diesem Grund wurden die Stellungen und Unterstände betoniert. Diese Linie verläuft ungefähr 50 Kilometer parallel zu Israels Nordgrenze. Und ihre Errichtung kostete Hunderte Millionen Dollar.

Israel herrscht hier in diesem südlibanesischen Gebiet über mehr als 30 Prozent des Landes Aviv und 600.000 Einwohner, die zum größten Teil antiisraelisch eingestellt sind. Langsam sieht man in Jerusalem jedoch ein, daß Israel weder eine neue Ordnung schaffen, noch eine stabile Regierung im Libanon bilden, noch die syrischen Truppen zum Abzug aus dem Libanon veranlassen kann.

Der hohe Blutzoll (bisher sind es über 570 Gefallene und 3000 Verwundete) sowie die enormen Besatzungskosten (circa 1 Million Dollar pro Tag) haben nun Israel veranlaßt, neue Pläne anzustreben, um der israelischen Besetzung im Südlibanon ein Ende zu setzen.

Ministerpräsident Schamir hat zwar dieser Tage offiziell erklärt, daß Israel seine Truppen nur parallel zu den syrischen aus dem Libanon abziehen wird. Doch in Wirklichkeit verhandelten er und Verteidigungsminister Arens in den letzten Tagen mit den amerikanischen Senatoren Warner und Towers sowie dem amerikanischen Sonderemissär Donald Rumsfeld über die Probleme eines israelischen Abzuges. Die USA haben seinerzeit von Schamir während seines Besuches in Washington das Versprechen erhalten, daß die Amerikaner einen weiteren Abzug seiner Truppen aus dem Libanon mit Israel koordinieren werden.

Auch Präsident Ronald Reagan kam zu dem Schluß, daß ein weiteres Verbleiben der 2500 amerikanischen „Ledernacken" in Beirut kaum die Situation verändern wird. Damit kein Vakuum nach den Rückzügen entsteht, haben Israel und die USA zwischen den Drusen und der libanesischen

Zentralregierung längere Zeit vermittelt, um eine Rückkehr der libanesischen Armee längs der Küste bis zur Stadt Sidon hin zu ermöglichen.

Die Drusen hatten ursprünglich dieser Abmachung zugestimmt, wollen jetzt jedoch die libanesische Armee nicht in die drusisch beherrschten Chouf-Berge hineinlassen, da sie diese Region als ihren zukünftigen Drusen-Staat betrachten, in dem sie keine „fremden Armeen" dulden wollen.

Nach einem amerikanisch-israelischen Abzug würde der heutige libanesische Staatspräsident Amin Gemayel weiter geschwächt werden, und die Frage ist, ob dann überhaupt noch die Möglichkeit einer libanesischen Zentralregierung besteht. Auch heute ist diese Zentralregierung mehr eine Fiktion als Wirklichkeit. J.n der Tat herrscht diese nur über den Ost-Teil von Beirut und die Region nördlich der Hauptstadt, wo sich die christlichen Milizen befinden.

Der Vielnationalitätenstaat, der nach dem Zweiten Weltkrieg von Frankreich unter dem Namen Libanon in die Freiheit geschickt worden war, konnte sich bis heute nicht behaupten. Die tiefen Gegensätze zwischen den ethnischen und religiösen Gruppen sind so groß, daß die dauernden Fehden immer wieder wie offene Wunden aufbrechen und das Land in einen permanenten Bürgerkrieg versetzt haben.

Inzwischen stimmen auch die Amerikaner den saudiarabischen Teilungsplänen zu, nach denen das Land in autonome Kantone der verschiedenen ethnischen Gruppen geteilt werden soll, an deren Spitze eine ziemlich lose Zentralregierung steht, die die Kantone vertritt. Auch Israel wäre bereit, diesem Plan zuzustimmen, die Frage ist nur: Was wird Syrien tun?

Syrien sieht im Libanon einen Teil von Groß-Syrien, und will deswegen seine 50 bis 60.000 Mann, die dort stationiert sind, als Polizeigruppe in Libanon belassen. Weder ein israelischer, noch ein amerikanischer Abzug kann zur Zeit Damaskus dazu bewegen, diesen Beschluß zu quittieren. Israel und die USA wiederum sind nicht dazu bereit, einen Krieg gegen Syrien zu riskieren, um es zu einem Rückzug aus dem Libanon zu zwingen.

Als Notlösung propagieren die Israelis nun ihrerseits einen Teilrückzug von 30 Kilometern, damit eine Enklave von 20 Kilometern Breite längs der israelischen Nordgrenze verbleibt. Israel will hier die alte Abmachung mit Damaskus erneuern, derzufolge die Syrer sich verpflichten sollen, ihre Truppen in einer Entfernung von 50 Kilometern vor der israelischen Grenze zu stationieren.

Die USA verhandeln nun mit Damaskus, um die Syrer dazu zu bewegen, der Sowjetunion keinen zu großen Platz im Libanon einzuräumen, zumal dadurch die syrische Aktionsfreiheit beeinträchtigt würde. Um die Syrer umzustimmen und auch die Beziehungen mit Damaskus zu verbessern, lockt Washington mit einer großen Finanzspritze. Die USA versuchen zur Zeit alles, um mit syrischer Hilfe einen haltbaren Status im Libanon herzustellen. Wobei das Fazit für die Israelis sein muß, daß der Libanonkrieg umsonst und seine Tausenden Opfer vergebens waren.

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