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Karame an der Macht

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Nach zwei Monaten der Krise hat Libanon endlich wieder eine Regierung, aber noch immer keinen Frieden. Das Kabinett tagt seit letzter Woche aus Sicherheitsgründen nicht in Beirut, sondern an Präsident Dschumaels Sommersitz von Bekf aje nordöstlich der Hauptstadt. Es ist mit der Vorbereitung seiner Regierungserklärung vor den 99 Parlamentsabgeordneten beschäftigt.

Nach anfänglichen Vorschußlorbeeren für Premier Karame ist aber von der verkündeten „Nationalen Einheit" nur mehr wenig zu bemerken. Auch der Frieden zwischen christlichen und islamischen Milizen hat nicht lange gehalten.

Die neue Regierung unter dem alten Palästinenser- und Syrerfreund Raschid Karame genießt jedenfalls hundertprozentige Unterstützung aus Damaskus. Die innere Problematik des Kabinetts hatte sich jedoch schon bei seiner Bildung abgezeichnet:

Die wieder neu und so heftig wie schon lange nicht mehr ausgebrochenen Feindseligkeiten in und um Beirut hatten Karame bei der Regierungsbildung zur Eile getrieben. Er mußte sich auf einen Ministersessel für jeden Parteiführer oder Vertreter einer auch politisch festgelegten Religionsgemeinschaft beschränken.

So herrscht jetzt im neuen Kabinett, konfessionell gesehen, völlige Parität von fünf Christen und fünf Muslimen. Nach ihrer politischen Ausrichtung tendiert zwar ein Sunnit zum maronitischen Rechtslager der „Libanesischen Kräfte". Dem stehen aber ein griechisch-orthodoxer und ein griechisch-katholischer Minister und der maronitische Vertreter von Altpräsident Frandschie gegenüber, die es traditionell mit dem arabischen Nationalismus und der syrischen Hegemonie über Libanon halten. Das wahre Verhältnis zugunsten von Syriens Präsident Assad sieht daher in der libanesischen Regierung 7:3 aus.

Drusenführer Walid Dschum-blat und Schiiten-Chef Nabih Berri hatten daher eigentlich keinen Grund zur Klage und zum Verzögern ihres Eintritts in das Kabinett Karame. Sie übernahmen ihre Ressorts aber erst um den Preis eines zusätzlichen Ministeriums für den von Israel besetzten Süden des Landes; und nur „dank" massiver Einflußnahme aus Syrien und der Sowjetunion.

Um den Süden geht es auch bei den Meinungsverschiedenheiten, über denen Libanons „Nationale Einheit" schon wieder brüchig geworden ist. Ministerpräsident Karames zunächst von allen Seiten gefeierter Anlauf ist mit dem Streit um die libanesische Armee ins Stocken gekommen. Nach dem Zerfall der von den Präsidenten

Sarkis, Baschir und Amin Dschu-mael neu aufgestellten Regierungstruppen in islamische und christliche Brigaden soll die Einheit der zu beiden Seiten der grünen Demarkationslinie von Beirut und im Schuf aufgesplitterten Armee wiederhergestellt werden.

Das ganze Kabinett Karame war sich zunächst darin einig, daß die unter einem Kommando wiedervereinigten Truppen früher oder später an die Stelle der israelischen Besatzer südlich vom Awalifluß treten sollten. Von einer parallelen Ablösung der Syrer im Osten und Norden des Landes ist allerdings seit dem Canossa-Gang von Präsident Dschumael nach Damaskus und der syrischen Schützenhilfe beim Zustandekommen dieser „Regierung der Nationalen Einheit" keine Rede mehr. Die Fixierung der Streitkräfte auf eine fast ausschließliche Rolle im Süden erweist sich aber als brisant genug: Bei der Art ihrer Neuorganisation liegt nun praktisch die Vorentscheidung für das Einlenken der Israelis zu einem weiteren Teilrückzug aus Saida und dem Bergland zwischen Awali und Litani.

Das alles bestärkt die Vorbehalte der überwiegend konservativen Maroniten und Sunniten gegen das Kabinett Karame. Grundsätzlich wünschen heute die meisten christlichen Führer überhaupt eine Entkonf essionali-sierung der libanesischen Politik. Davon wollen aber jetzt die libanesischen Muslime — die früheren Vorkämpfer einer Säkularisierung - nichts mehr wissen, seit für sie der Koran zum Grundgesetz geworden ist.

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