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„Wir haben niemals den Krieg erklärt. . . quot;

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Ein libanesischer Priester, mit Österreich verbunden, verfaßte diesen Appell. In manchem berührt er uns ungewohnt, nationalistisch, traurig. Oder wollen wir nur nicht hören?

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Ein libanesischer Priester, mit Österreich verbunden, verfaßte diesen Appell. In manchem berührt er uns ungewohnt, nationalistisch, traurig. Oder wollen wir nur nicht hören?

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Ich möchte nicht von Politik reden. Ich möchte Ihnen nur sagen, wie sehr wir die Hilfe durch ihr Gebet nötig haben und wie sehr wir uns nach Frieden sehnen.

Wenn Sie die Bibel lesen, dann sehen Sie immer wieder, daß mein Land genannt wird. Der Libanon ist wirklich ein Teil des gelobten Heüigen Landes. Denken Sie daran, daß der Tempel Salomons in Jerusalem aus den Zedern Libanons erbaut wurde. Jesus selbst hat die Grenzen des Libanon überschritten, und einmal war er beeindruckt vom Glauben einer libanesischen Frau (Mt 15,421-28).

Seit der Zeit, da die an Jesus Christus Glaubenden in Antiochien Christen genannt wurden, war auch der Libanon christlich. Er wurde damals Phönizien genannt und die wichtigen Häfen Tripolis, Byblos, Beirut, Sidon, Tyrus waren Ausgangspunkte, daß das Evangelium in Kleinasien bis Rom verkündet wurde.

Die heute „arabische Staaten" genannten Länder waren christliche Länder wie Syrien, Jordanien, Irak, Ägypten, Tunis, Libyen, Algerien und Marokko. Der heilige Augustinus war ein Tunesier aus Kartago. Der heilige Johannes von Damaskus war ein Syrier. Das erste Konzil wurde im Orient abgehalten, und auch das Mönchstum wurde dort gegründet.

Nach 600 Jahren Christentum änderte der Islam in diesen Ländern mit Gewalt Religion, Sprache und die Geschichte dieser Völker. Heute heißen sie arabische Länder im Hinblick auf den Koran, welcher arabisch geschrieben ist, oder auf Muham-med, der aus Saudi-Arabien gekommen ist. Die Christen, früher eine große Mehrheit, wurden eine kleine Minderheit und mußten Verfolgungen erleiden.

Eine dieser Minderheiten ist die libanesische Gemeinde, die einzige Gemeinde im Orient, die der römischen Kirche treu geblieben ist. Tausende ihrer Söhne bezahlten diese Glaubenstreue mit dem Martertod.

Seit dem 5. Jahrhundert blieb diese Gemeinde lebendig in den Bergen des Libanon und in der Umgebung eines Bergklosters, wo der heilige Maroun gelebt hat, ein Anachoret, ein bekannter Einsiedler seiner Zeit. Die Schüler des heiligen Maroun, die Marou-niten, wurden eine Gemeinschaft mit einer ganz speziellen Mission. Sie übersetzten die Bibel vom Aramäischen ins Syrische, Hebräische, Griechische und ins Lateinische sowie ins Arabische und in die Sprachen Europas. Sie gaben den ersten Kommentar der Bibel und der Kirchenväter heraus.

Wir verstehen nicht, warum es gerade im Libanon Krieg geben muß zwischen Ost und West, zwischen den USA und Rußland, zwischen Israel und der PLO, oder zwischen Syrien und der PLO, oder zwischen Iran, Libyen und den USA. Wir fragen nur, warum wir die Opfer sein sollen und warum wir Libanesen sterben sollen für die Interessen dieses oder jenes Landes.

Warum kämpfen die PLO und Israel, unterstützt von den USA? Warum wurde der Südteil unseres Landes zerstört und besetzt? Warum haben sie in der Stadt Beirut Ruinen hinterlassen und Tausende von Libanesen getötet? Wir haben niemals den Krieg gegen Israel erklärt! Warum kämpft Israel, dann die PLO oder Syrien gegen uns? Warum haben sie, unterstützt von den Russen, den Norden des Libanon zerstört und besetzt? Warum haben sie Tausende Libanesen getötet?

Wir haben doch niemals den Krieg erklärt, weder gegen Syrien, Rußland, Libyen oder den Iran! Warum haben Israel, Syrien und die PLO—untereinander verfeindet — die Muslime bewaffnet gegen die Christen? Warum haben beide - Israel und Syrien -während ihrer Besetzung des Nord- und Südteiles des Libanon den israelischen Drusen erlaubt, in den Schuf-Bergen Massaker gegen die Christen zu üben?

Allein während 37 Tagen zwischen dem 31. August und dem 6. Oktober 1983 wurden 1378 Christen auf schreckliche Weise getötet. 107.388 Menschen mußten fliehen. 17.605 Häuser wurden zerstört. 83 Kirchen wurden durch Feuer vernichtet und Hunderte christliche Dörfer wurden verbrannt. Und dies alles unter dem tiefen Schlaf der USA und Rußlands und angesichts des Schweigens Europas!

Wenn wir gekämpft haben, so haben wir das zur Verteidigung unserer Existenz getan, damit unser Land unabhängig bleibt gegenüber der Militärpräsenz der PLO oder einer anderen Militärpräsenz. Wir waren niemals gegen das Recht der Palästinenser auf ein eigenes Land — im Gegenteil, wir waren das erste Land, das sich für das Recht der Palästinenser eingesetzt hat.

Warum hat die multinationale Friedenstruppe so spät reagiert -erst als ihre eigenen Männer getötet wurden? Warum sind sie so spät in den Libanon gekommen, erst nach sieben Jahren des Krieges? Ist das Erdöl aus Arabien wichtiger als das Leben der Christen?

Als Christen glauben wir an einen Missionsauftrag, so wie wir ihn in früheren Zeiten hatten. Wir wollen Christus nicht verraten, wie uns dies manche Leute empfohlen haben. Wir sind stolz, Christen zu sein und für unseren Glauben auch zu sterben. Aber wir wollen auch leben: frei, stolz und unabhängig wie andere Länder in dieser Welt! Europa und die USA könnten uns helfen, nicht mit Geld! Wir brauchen keine Geschenke! Wir brauchen Frieden!

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