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Frost in Leipzig

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Statt Tauwetter gab es Frost auf der diesjährigen Leipziger Frühjahrsmesse. Mit der Verweigerung der Arbeitserlaubnis für drei Journalisten der bundesdeutschen Rund-funkanstalten Deutschlandfunk und Deutsche Welle sargte die DDR-Führung dafür, daß die Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten wieder dort landeten, von wo sie der Grundvertrag und hartnäckiges Verhandeln zwischen Bonn und Ost-Berlin weggebracht hatten: auf dem Nullpunkt.

Die Ablehnung der Journalisten wegen angeblicher Einmischung in innere Angelegenheit der DDR durch Deutschlandfunk und Deutsche Welle war nach der Ausweisung des Spiegel-Korrespondenten Mettke der zweite Fall, in dem die DDR in klarer Verletzung und unter Mißachtung des von ihr sonst so gerne zitierten Helsinki-Abkommens, bundesdeutsche Journalisten vor die Türe setzite. Nach der eher diskreten Behandlung des Falls Mettke durch Bonn reagierte die Bundesrepublik diesmal schärfer. Bundes- und Landesminister, die sich in Leipzig aufhielten, reisten demonstrativ vorzeitig ab, nachdem die Bemühungen des Bonner Vertreters in Ost-Berlin, Staatssekretär Gaus, um eine Änderung der Haltung der DDR von dieser in geradezu brüskierender Weise zum Scheitern gebracht worden waren.

Bonn war mit den unerfreulichen Ereignissen um die Leipziger Messe zu einer über die Abreise der Minister hinausgehenden Reaktion und zu einer Klärung seines Verhältnisses zur DDR gezwungen. Wenn die Regierung Schmidt diesmal auch ihre Verurteilung des Verbaltens der DDR-Regierung offener als bisher zum Ausdruck gebracht hat, so blieb doch die Tendenz, sich nicht durch Ost-Berlin provozieren zu lassen. Diese Haltung hat für sich, daß es den DDR-Machthabern nur willkommen wäre, wenn Bonn auf einen klaren Konfrontationskurs einschwenkte. Damit könnte der Schwarze Peter für die von Ost-Berlin gewünschte Klimaverschlech-terung der Bundesrepublik zugespielt werden. Dies tat das Neue

Deutschland auch prompt in seinem mit auffälliger Verspätung zu dem Leipziger Eklat erschienenen Kommentar.

Eine härtere Gangart; als die von der Bonner Regierung gewählte wird dagegen von der CDU/CSU-Opposition gewünscht, Sie denkt an Sanktionen gegen die DDR.

So bieten sich als Sanktionen vor allem wirtschaftliche und politische Maßnahmen an. Eine Änderung der Praxis beim sogenannten Swing käme hier in Frage. Der DDR würde dann nicht mehr ein so großer Kredit im innerdeutschen Handel eingeräumt werden. Schließlich könnte Bonn seine Beziehungen und Verhandlungen zur DDR einfrieren lassen, was für die DDR teilweise deshalb von Nachteil wäre, weil mit etlichen in Aussicht genommenen Vereinbarungen erhebliche finanzielle Vorteile für sie zusammenhängen.

Bonn beschränkt sich vorerst darauf, die DDR international wegen ihrer den Geist von Helsinki geradezu lächerlich machenden Verhaltensweise anzuprangern. Dies ist eine Maßnahme, die bei der auf internationales Prestige bedachten DDR wirkungsvoller ist, als sie zunächst zu sein scheint. Immerhin deutet einiges darauf hin, daß die DDR den Eklat von Leipzig zumindest in diesem Umfang nicht einkalkuliert hatte.

Der Vorfall von Leipzig gibt in der Bundesrepublik jedoch auch Anlaß, eine Zwischenbilanz der Deutschlandpolitik der sozialliberalen Koalition zu ziehen. Dabei müssen auch Verteidiger dieser Politik eingestehen, daß viele Erwartungen nicht erfüllt wurden. Aus dem „Wandel durch Annäherung“ ist nichts geworden. Im Moment versucht die DDR vielmehr verkrampft, ihre Abgrenzungspolitik zu verschärfen. Über jene Zugeständnisse, die ihr in harten D-Mark abgegolten wurden, ist die Regierung in Ost-Berlin nicht bereit, hinauszugehen.

Es könnte freilich der DDR auch durchaus daran gelegen sein, nun einen massiven Eindruck des Scheiterns der Deutschlandpolitik von

SPD und FDP aufkommen zu lassen. Denn immerhin stehen in der Bundesrepublik Parlamentswahlen ins Haus. Und den Mannen um Honecker ist eine gegnerische CDU/CSU-Regierung in Bonn lieber als eine verhandkingsbereite SPD/FDP-Regierung.

Für Regierung wie Opposition gilt es daher, darauf zu achten, nicht die Politik der DDR zu besorgen. Zu schnelle und massive „Vergeltungsmaßnahmen“ könnten auch, und hier handelt Bonn immer aus eine Position der Schwäche heraus, West-Berlin schaden. Dies zeigte das Verbot des Landes einer DDR-Sondermaschine in Köln-Bonn. Diese Maßnahme, sie betraf eine DDR-Delegation zum DKP-Parteitag, war eine Reaktion darauf, daß sich die DDR geweigert hatte, Eisenbahnwaggons für Sonderfahrten zum Sängerfest in West-Berlin bereitzustellen. Wenn an dieser Schraube weiter gedreht würde, wären unerfreuliche Zustände im Berlin-Verkehr durchaus wieder denkbar.

Auch die den Berlin-Verkehr jetzt befriedigend regelnden Vereinbarungen würden die DDR nicht daran hindern. Denn an der Behandlung der bundesdeutschen Journalisten in Leipzig wurde deutlich, wie leichtfertig sich die DDR über Vereinbarungen und Verträge hinwegzusetzen bereit ist.

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