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Die Stasi und der Vatihan

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Mit der Neuordnung der Diözesangrenzen versuchten DDR-Granden ihr nur auf brutaler Macht beruhendes Gebilde kirchlich absegnen zu lassen.

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Mit der Neuordnung der Diözesangrenzen versuchten DDR-Granden ihr nur auf brutaler Macht beruhendes Gebilde kirchlich absegnen zu lassen.

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Sechs Jahre lang bemühte sich die DDR-Führung, vom Vatikan eine Anglei-chung der kirchlichen Gebietsgrenzen an die Staatsgrenzen zu erreichen. In Rom war man geneigt, dem entgegenzukommen - gegen die Warnungen der deutschen Bischöfe. Der Tod Pauls VI. zog den Schlußstrich unter die Bemühungen.

Wie diese Kontakte abliefen, wurde nun durch die Freigabe der Akten von Staatssicherheitsdienst und SED bekannt. Bernd Schäfer gibt in der Zeitschrift „Stimmen der Zeit" eine Übersicht. Auch hier zeigte sich, daß alle diese Akten unter Erfolgszwang angelegt wurden: Was im Sinn des Auftrags zu vermelden war, wurde entsprechend interpretiert; gegenläufige Bemerkungen der Gesprächspartner fielen unter den Tisch.

Walter Ulbricht hatte noch die von den westdeutschen Sozialdemokraten betriebene Ostpolitik als „raffinierte ideologische Diversion des sozialistischen Lagers" angesehen. Sein Nachfolger Erich Honecker dachte pragmatischer. Er wollte die Isolierung der DDR durch außenpolitische Erfolge durchbrechen, ohne im Inneren Zugeständnisse zu machen.

Durch die Teilung Deutschlands lagen Teile der (Erz)Diözesen Osnabrück, Paderborn und Fulda auf dem Gebiet der DDR. In Schwerin, Magdeburg und Erfurt versahen Weih-bischöfe die Funktion der Ordinarien.

Zum Bistum Berlin - Ost und West - gehörten auch Brandenburg und Vorpommern. Dort saß Kardinal Alfred Bengsch als Vorsitzender der „Berliner Ordinarienkonferenz". Schließlich lagen Teile des Erzbistums Breslau westlich von Oder und Neiße, das Bistum Meißen als einziges zur Gänze in der DDR.

Im Sommer 1972 beschloß das Politbüro der SED „Maßnahmen zur Regelung der Diözesangrenzen" und ließ dem Vatikan ein Memorandum zugehen, in dem die kirchen-rechtliche Zugehörigkeit zu westdeutschen Diözesen als „Anachronismus" bezeichnet wurde, der sich „störend auf den weiteren Prozeß der Entspannung in Europa auswirken könnte". Eine Einrichtung selbständiger Ristümer werde „den Interessen der Katholiken in der DDR" nur dienlich sein, hieß es weiter.

Am 24. August 1972 traf Bengsch zum ersten Mal mit Ministerpräsident Willi Stoph zusammen, der ihm die Wünsche erläuterte und um Unterstützung bat. Bengsch konterte, die Diözesangrenzen seien im Reichskonkordat festgelegt - er könne eine Änderung nicht unterstützen.

Immerhin entnahm Bengsch den Tiraden des Politikers, daß man nicht die Absicht habe, die relativ großzügigen Spielräume der Pastoral einzuengen.

Die diplomatischen Kontakte zwischen Ostberlin und dem Vatikan begannen im Oktober 1972 in Belgrad bei Pronunius Mario Cagna, dem späteren Nuntius in Wien -Erzbischof Agostino Casaroli, damals „Außenminister" des Vatikan, schrieb an DDR-Außenminister Otto Winzer, man werde die Wünsche der DDR „sorgfältig prüfen" -womit sie zunächst einmal abgelegt waren.

Am 24. Jänner 1973 traf Casaroli erstmals mit einer DDR-Delegation zusammen, anerkannte - wie in den Parteiakten hervorgehoben wird -die „mehr als positive Lage" der Kirche in der DDR und ließ sich die Zusicherung des Delegationsleiters geben, daß nicht an eine Änderung dieses Zustandes gedacht werde.

Tatsächlich erfolgte dann auch im Juli 1973 die Ernennung der Bischöfe in Erfurt, Magdeburg und Schwerin zu Apostolischen Administratoren (ohne daß dadurch der kirchenrechtliche Charakter der Gebiete geändert wurde). Wenn allerdings in den Akten des Mfs vermerkt wird, alle Bischöfe der DDR strebten die Umbenennung der Ordinarienkonferenz in „Bischofskonferenz der DDR" an, und Bengsch wolle diesen Wunsch im Vatikan vertreten, dann widerspricht dies eindeutig mehrfach geäußerten Vorstellungen des Kardinals.

Die Kontakte zwischen der DDR und dem Vatikan liefen weiter, in Rom, wo nun Klaus Gysi — später Staatssekretär für Kirchenfragen -als Botschafter amtierte, bei der Europäischen Sicherheitskonferenz in Genf und endlich am Rand der

KSZE-Gipfelkonferenz in Helsinki. Die DDR-Offiziellen drängten auf ein formelles Abkommen, das die Diözesangrenzen anpassen sollte, aber auch der Regierang ganz neue Zugriffsmöglichkeiten geboten hätte. Die Rischöfe bremsten, weil sie im nicht fixierten Status quo weniger Gefahren sahen.

Im Juni 1975 wurde Kardinal Casaroli mit großem Bahnhof in Ostberlin empfangen - trotz der Bedenken, die sowohl Bengsch wie Kardinal Julius Döpfner als Vorsitzender der (Westdeutschen Bischofskonferenz deponiert hatten. Immerhin dürften - wie aus den Akten ersichtlich wird •— die Konsultationen seitens der Bischöfe nicht ohne Wirkung auf Casaroli geblieben sein. Und nach dem Besuch scheinen auch die Kontakte des Vatikans zu den Bischöfen in Ost- und Westdeutschland intensiver geworden zu sein.

Im Vatikan argumentierte man Kardinal Bengsch gegenüber, der Status quo der katholischen Kirche in der DDB sei bedroht, wenn der

Vatikan nicht zu gewissen Zugeständnissen bereit sei. Bengsch merkte davon nichts - und auch in den Akten ist nichts von einem sanktionsbewährten Druck auf die Kirche festzustellen.

Im Mai 1976 schrieb Kardinal-Staatssekretär Jean-Marie Villot an Bengsch, daß die Ordinarienkonferenz zur selbständigen Bischofskonferenz erhoben werden solle, als Vorstufe für die Errichtung entsprechender Bistümer.

Die „Stasi" verzeichnete dieses Schreiben - unterschlug jedoch den Passus, wonach die Begierang vorher die nötigen Garantien für Leben und Entfaltung der Bistümer geben müßte. Die Bischöfe akzeptierten die Neuordnung „einstimmig mit Bedauern", um die Einheit, mit Bom nicht zu gefährden.

„Das Verhältnis der katholischen Kirche in der Bundesrepublik wie der DDB zum Vatikan war im Gefolge der römischen Entscheidungen deutlichen Spannungen unterworfen," stellt Schäfer fest.

Am 26. Oktober 1976 teilte der Vatikan die Errichtung der „Berliner Bischofskonferenz" mit. Für die DDB war dies ein „Schritt auf dem richtigen Weg", nicht mehr. Man drängte auf die Errichtung einer Nuntiatur in Ostberlin.

Als die DDB-Bischöfe im Herbst 1977 zum Ad-limina-Besuch nach Bom kamen, wurde ihnen die baldi-•ge Errichtung von Diözesen mitgeteilt. Bengsch warnte weiter: Wenn schon Veränderung, dann lieber nur Apostolische Administraturen! Der unmittelbare Kontakt zu den westdeutschen Mutterdiözesen schien zu wichtig.

Am 6. August 1978 starb Papst Paul VI. Das vorbereitete römische Dekret über die Errichtung Apostolischer Administraturen wurde nie unterzeichnet. DDR-Botschafter Gysi meldete nach Berlin, er habe den Eindruck gewonnen, daß Kardinal Casaroli nicht mit einem Verbleib im Amt rechne.

Und am 2. April 1979 wurde Casaroli in einem Telegramm der DDR-Botschaft in Warschau mit der Äußerung zitiert, „daß es bestimmten Kreisen im Vatikan nicht gefalle, daß der Papst (Johannes Paul II.) über gute Direkt-Kontakte mit der Staats- und Episkopatsführung in sozialistischen Ländern verfüge.

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