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Hauptproblem Ostdeutschland

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Trotz allem bleibt für Bonn das Hauptproblem Ostdeutschland und sein Regime. Auch die Regierung Kiesinger steht damit vor einem Problem, das zur Verzweiflung treiben könnte: Pankow läßt über nichts mit sich reden, ausgenommen zu seinen Bedingungen. Deshalb die Entschlossenheit, mit der Bonn immer wieder darauf ausgeht, die menschlichen Beziehungen zwischen diesseits und jenseits der deutschen Demarkationslinie zu erleichtern. Es ist kein Zweifel, daß die Bundesregierung hierbei zu Opfern bereit wäre. Aber jeden Tag aufs neue ttößt sie sich daran, daß Pankow als Vorbedingung seine Anerkennung fordert. Es scheut sich gar nicht, zu erkennen zu geben, daß ihm die menschlichen Beziehungen völlig gleichgültig sind. Sie bedeuten ihm allenfalls einen Bauern auf dem Schachbrett, nicht mehr.

In der letzten Zeit hat sich außerdem die Haltung Pankows erheblich verhärtet. Außenminister Brandt hat daher vor kurzem mit Recht bemerkt, Pankow sei aus der Defensive herausgetreten. Die Gründe hierfür sind natürlich von Bonn aus nicht leicht zu analysieren. Aber die Analysen bewegen sich hauptsächlich in zwei Richtungen. Die erste: Ulbricht könnte unter dem Eindruck stehen, daß die Zeit für ihn arbeite. In der Tat bleibt in der Bundesrepublik die Diskussion im Gange, ob die Hallstein-Doktrin nicht überlebt sei, ob man sich nicht zu Kontakten auf möglichst hoher Ebene beredt finden solle, ob Pankows Vorschlag einer Konföderation nicht doch erwägenswert sei und so fort. Allerdings darf man sich über Häufigkeit und Verbreitung von Diskussionen dieser Art kein falsches Bild machen. Sie beherrschen nicht die Szene, flammen gelegentlich hier oder dort auf, schwelen aber im Grunde mehr dahin. Die andere Analyse: Ulbricht wird gezwungen, seine wirkliche Deutschlandpolitik immer ungeschminkter offenzulegen. Er will die Wiedervereinigung gar nicht, auch nicht über eine Konföderation, weil dann die Tage des kommunistischen Einflusses in Deutschland gezählt wären. Deshalb stellt er an Bonn immer höhere Forderungen, die allesamt im Grunde darauf hinauslaufen, es müsse „von Regierung zu Regierung“ verhandelt werden, in der Hoffnung, daß Bonn diese Forderung auf jeden Fall ausschlägt.

Die Meinungen, wie man sich daraufhin verhalten soll, sind in der Bundesrepublik geteilt. Auch führende Politiker fänden nichts dabei, wenn Kiesinger mit Stopft, zusammenträfe. Andere reden immer neuen Angeboten an Pankow das Wort, deren Kette nicht abreißen dürfe. Entscheidend ist dabei, daß niemand erwartet, Pankow werde von sich aus, gleichviel, wie weit Bonn entgegenkommt, seine Politik in der Sache im mindesten ändern.

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