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Dialektik wird zum Bumerang

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Allem Anschein nach stand die Reise des jugoslawischen Präsidenten Tito in die arabischen Länder unter keinem sehr glücklichen Stern. Nicht bei seinem Freund Nasser in Kairo und schon gar nicht in Damaskus und in Bagdad fand Tito jenes Echo, das irgendwelche Hoffnungen auf baldige Beilegung des Nahositkonfliktes rechtfertigen

würde. Ja, die Kompromißvorschläge, die Tito — wahrscheinlich auch im stillen Einvernehmen mit Moskau und mit Washington — sondieren wollte, hat er — wie man hört — nicht einmal ganz aus der Tasche ziehen können. Das liegt nicht nur an der verfahrenen Lage im Nahen Osten selbst, es liegt auch daran, daß sich Tito allzu spät auf das besonnen hat, was einem bünd-nislosan Politiker längst besser angestanden wäre, nämlich sich neutraler, wenüger engagiert in der Nahostkrise zu verhalten — etwa so wie es die Rumänen tun, obwohl sie im Warschauer Pakt und auch ideologisch viel enger an Moskau gebunden sind als Titos Jugoslawien.

Der Gesandte und der Minister

Viele Wochen lang hatten in Belgrad jene Kräfte die Oberhand, die die persönliche Freundschaft zwischen Tito und dem ägyptischen Präsidenten Nasser benutzen, um Jugoslawien in ein einseitiges Engagement zu treiben. Führer dieser Lobby war und ist vor allem der ehemalige jugoslawische Botschafter in Kairo, Josip Dscherdscha, der sich als Abgeordneter von Zadar nicht scheute, im jugoslawischen Parlament den Außenminister Nifcezic offen anzugreifen, weil Nikezic versucht hatte, die jugoslawische Außenpolitik vorsichtiger und weniger heftig auf den proarabischen Kurs zu steuern. Inzwischen hat sich manches (geändert. Dscherdscha selbst hat einen Friedensvorschlag für den Nahen Osten unterbreitet, der zwar vom Rückzug Israels auf die Linie des 5. Juni auageht, aber zugleich die Aufstellung einer UNO-Friedenstruppe auf beiden Seiten der Grenze — also auch zum Schutz Israels — vorsieht. Ein Vorschlag, der auch in Osteuropa, zum Beispiel in Ungarn, aufgegriffen und gelobl wurde. Denn inzwischen ist mar auch dort etwas nüchterner geworden. Es war ein dorniger Weg, dei

die Sowjetunion und ihre Verbündeten vom militanten, ja koexistenzfeindlichen Schrei der Moskauer Nahosterklärung des 9. Juni zum eher stillen Wirken für einen Kompromiß führte — sogar im stallen Einvernehmen mit der amerikanischen Supermacht.

Fata Morgana „dritte Welt“

Doch eben diese Haltung der Großmächte hat ihn nun auch zu dem Versuch ermuntert, die angeschlagene arabische Welt dem Zugriff der Großmaehtinteressen zu entziehen und sie — im Sinne der alten blockfreien Politik — für einen arabischen Sozialismus zu gewinnen, der von Moskau und Peking gleich weit angesiedelt wäre und zugleich dem die Stirn böte, was auch Tito den amerikanischen Imperalismus nennt. Es ist Titos alte, an den letzten Jahren immer mehr verblaßte, aber nie ganz aufgegebene Idee vom dritten Weg der dritten Welt, einem sozialistischen Weg eigener Art. Und es ist in der gegenwärtigen Lage außerdem der Versuch, aus der Not eine Tugend zu machen, aus der arabischen Niederlage den Gewinn einer neuen Selbständigkeit, in der — so stellt es sich Tito vor — eines Tages auch Israel als eine progressive Macht, des Nahen Ostens mit von der Partie sein könnte. Alber das ist zuviel Zukunftsmusik. Das hinge von der Lösung des kaum lösbaren Problems ab, die Araber zu befriedigen und zugleich den Nahen Osten zu befrieden. Das hinge vor allem von einem Akt der Einsicht ab, den Tito selbst erst jetzt — allzu spät — propagiert und den er den Arabern erst recht nicht schmackhaft machen kann: nämlich die Anerkennung der Existenz Israels. Zwar hatte Tito dieses Exdsteruzrecbt niemals direkt geleugnet, so wenig wie die anderen kommunistischen Länder, aber Tito hat sich nicht anders als die anderen Kommunisten im Nahostkonflikt ideologisch verrannt, wobei er noch in der glücklichen Lage war, daß er sich nicht wie die Sowjetunion von Großmachtinteressen leiten lassen mußte. Jetzt stehen die Kommunisten etwas ratlos vor den Folgen eines Fehlers, der für Marxisten kaum verzeihlich ist, nämlich den Folgen einer falschen Lageeinschätzung.

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